„Monster is a relative term. To a canary, a cat is a monster. We are just used to being the cat.“
Anscheinend wird es in diesem Jahr Mode, filmisch Fakten zu widerlegen. Wenn die Animationsschmiede
Pixar Ende des Jahres in ihrem
What If-Szenario „
Arlo & Spot“ eine Welt präsentiert, in der Menschen und Dinosaurier einfach friedlich nebeneinander leben, weil der berühmte Meteor vor 65 Millionen Jahren die Erde hier nie getroffen hat, wird
„JURASSIC WORLD“, der bereits vierte Film des von
Michael Crichton erdachten
Dino-Park-Franchise, den Vorzeichen nach wohl schon als einer der erfolgreichsten Filme aller Zeiten in die Geschichtsbücher eingegangen sein - mit eigentlich totgeglaubten, aber nunmehr erneut zum Leben erweckten Dinosauriern, die eindrucksvoll zeigen, dass Aussterben für sie eher unter den Fremdwörtern firmiert.
Die Brüder Gray (Ty Simpkins) und Zach (Nick Robinson) fahren einige Tage zu ihrer Tante Claire (Bryce Dallas Howard), die den Erlebnis-Dino-Park
Jurassic World führt. Dort soll gerade die von Parkbesitzer Simon Masrani (Irrfan Khan) verlangte Dino-Neuzüchtung
Indominus Rex, ein monströser Supersaurier, unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen in dem Park untergebracht werden. Ausgerechnet Claires frühere Liebschaft Owen (Chris Pratt) wurde hierfür von Masrani als Experte hera
ngezogen. Das ungleiche Paar kann sich also demnach nicht wirklich ausstehen, muss sich aber schon bald zusammenrotten. Denn der im Labor von Dr. Henry Wu (BD Wong) einst zusammengemixte Gen-Cocktail des
Indominus Rex hat aus diesem einen hyperintelligenten Saurier werden lassen, der sich mal so gar nicht hinter Gittern sieht...
Die Hauptdarsteller
Chris Pratt („
Guardians of the Galaxy“ [2014]) und
Bryce Dallas Howard („
The Help“ [2011]) tragen als ehemaliger Navy Seal sowie knallharte Parkmanagerin als sympathisches Powerduo durch die Handlung. Dabei ist es jedoch weniger spannend, ob der Dinodompteur-Autodidakt und die Karrierefrau an ihre bei einem früheren Date entflammte Leidenschaft füreinander anknüpfen können, sondern vielmehr, in welchem Zustand sich Claires Outfit, das aus einer Weißer-Riese-Werbung stammen könnte, am Ende des Films befindet und ob sie alle Dinokämpfe bis zum großen Finale hin auf ihren Highheels meistert – oder ob ihr Owen – ganz Gentleman – zwischenzeitlich doch noch seine Dschungelboots anbietet. Wie im ersten Teil der Reihe machen auch bei
„JURASSIC WORLD“ zwei Halbstarke das Hauptfigurenquartett perfekt, wobei Gray und Zach erfrischend draufgängerischer und mutiger sind als ihre Pendants von 1993. „Das kann nicht gutgehen!“, ahnt man da schon erfreut, als die beiden sich in einem an eine Hamsterkugel erinnerndem Gefährt über die Grenzen des für Zuschauer begehbaren Bereichs hinwegsetzen. Und schwupps sind die Teenager auch schon in Gefahr, Onkel – in spe – Owen auf Rettungsmission, und erste Schlammspritzer besprenkeln Tante Claires Businessoutfit. Doch nicht nur Dreck sorgt dafür, dass manch einer keine allzu weiße Weste mehr hat, sondern auch die gern bemühte Macht- und Profitgier einzelner Individuen, welche wieder einmal die Gefahr vor lauter Geld nicht sehen wollen – bis es fast zu spät ist. „Vergessene Welt: Jurassic Park“ [1997] lässt grüßen.
Keine Frage: Colin Trevorrows
„JURASSIC WORLD“ erfindet – den
Indominus Rex mal außer Acht gelassen – nichts neu und hält sich buchstäblich an Altbewährtem auf. So wird man gleich beim ersten Blick auf den neuen Dino-Park hochemotional vom musikalischen Thema des ersten Teils begrüßt und bei seinem Rundgang durch den Freizeitpark der bissigen Art begleitet. Hierbei lässt auch das visuelle Déjà-vu nicht lange auf sich warten, denn tatsächlich werden einige Dino-Szenen aus „
Jurassic Park“ [1993] im aktuellen Teil wiederbelebt, indem man sie als aufwendige Hologramm-Sequenzen zur Information im Besuchercenter aufflackern lässt. Handlungsverlauf und Spannungsbogen fügen sich voll dem vor über zwei Jahrzehnten vorgegebenen Raster und lassen kaum Überraschungen zu.
Innovativ ist
„JURASSIC WORLD“ also nicht unbedingt – bleibt nur die Frage, ob das so schlecht ist. Denn dem geneigten Dinoaction-Fan dürfte klar sein, dass der erste Teil schon allein aus einem Grund nicht zu toppen ist: Alles, was man 1993 über die Kinoleinwand laufen sah, hatte den Bonus der Neuartigkeit, des so und auf diese Art und vor allem mit dieser Perfektion umgesetzt noch nie Dagewesenen. Ein Problem übrigens, mit dem sich wohl jeglicher Actiongrusel der Generation 2000 und jünger konfrontiert sieht. Um Dagewesenes zu übertrumpfen, muss stets etwas Größeres, Gefährlicheres her. Wenn ein als ausgestorben geglaubter
Tyrannosaurus Rex nicht mehr reicht, um nachhaltig Eindruck zu schinden, wird also einfach ein wenig herum-genmanipuliert. Intelligenter, angepasster, gefährlicher: Das muss doch auch den eingefleischten Dinofilm-Gucker vom Hocker hauen.
Tut es nicht – und das ist das Besondere an
„JURASSIC WORLD“. Man erhält als Zuschauer an keiner Stelle den Eindruck, dass der Film seinen erfolgreichen Vorgänger verzweifelt zu übertrumpfen versucht. Im Gegenteil. Vielmehr erscheint dieser Film als eine Hommage an den Ursprungsfilm und erfüllt mit seinen Übertreibungen nur den Zweck, auf genau jene Problematik hinzuweisen, mit der sich Filmemacher heutzutage konfrontiert sehen. Nicht nur die schwindenden Besucherzahlen eines fiktiven Saurierparks, der das actionverwöhnte Auge mit ausgestorbenen Riesenechsen allein nicht mehr zu befriedigen vermag, sondern auch der Dino-Horror von heute muss sich der Herausforderung stellen, ein Publikum zu beeindrucken, das scheinbar schon alles gesehen hat.
„JURASSIC WORLD“ macht genau darauf aufmerksam – und erhält damit ein nicht zu leugnendes Fünkchen Tiefe, das man dem Film nach den ersten Trailern so wohl nicht zugetraut hätte.
Es ist im besten Sinne alles beim Alten, obwohl die Computertricks von ILM nun natürlich noch aufwendiger als damals daherkommen, wo sie ja gerade erst in den Kinderschuhen steckten. Wahrscheinlich ist dies auch das Geheimnis des bahnbrechenden Erfolges von
„JURASSIC WORLD“, der mittlerweile gar auf Platz 3 der erfolgreichesten Filme aller Zeiten vorgerückt ist: Bei diesem Film darf jeder Erwachsene noch einmal ungeniert 20 Jahre jünger sein und wieder der Begeisterung für Dinos frönen, wie sie sonst nur Kindern zuteil wird. Und die 12jährigen, die damals noch gar nicht geboren waren? Die sind wahrscheinlich aktuell begeistert ob der imposanten Effekte, begutachten mit großen Augen die 3D-Technik und werden vielleicht irgendwann einmal ihren Kindern erzählen, dass es da, als sie selbst jung waren, diesen einen Film mit den Dinos gab, der sie einst so begeistert hat. So hat jede Generation ihre ganz eigene Geschichte. Und manch ein Film – manchmal sogar ein solider Dino-Film – (be)schreibt sie einfach. Das kann nur Kino.
Seufz.
Fazit: Wirklich toll getrickste Dino-Wiederbelebung mit Nostalgie-Charme.
Cover: © 2015 Universal Pictures.