Es ist noch nicht allzu lange her- fünf Jahre, um genau zu sein- dass die beiden Australier James Wan und Leigh Whannell das hoffnungslos vor sich hin darbende Horrorgenre mit ihrem innovativen Überraschungshit
Saw aus dem tiefen Dornröschenschlaf erweckte. Der ultrafiese, gnadenlos an den Nerven zerrende Independent- Schocker vermochte mit begrenzten Mitteln ein Maximum an Spannung zu erzeugen und gilt unter Genrefans mit robustem Magen völlig zu Recht als Kultfilm. Dass das Torture Porn- Projekt bei der angepeilten Zielgruppe so gut ankam, ist kein Wunder: Schließlich ist das Grundkonzept nicht nur originell, sondern auch verdammt packend- dazu gesellt sich eine gesunde Portion Härte, die in diesem Ausmaß ungewöhnlich für eine Mainstream- Produktion ist und war. Es kam, wie es kommen musste: Die Fanbase hatte buchstäblich Blut geleckt und gierte nach mehr. Und sie sollten mehr bekommen. Ein “Saw”- Film nach dem anderen wurde heruntergekurbelt und das Franchise entwickelte sich im Nu zur erfolgreichsten Horrorreihe aller Zeiten. Dass die Plots der Filme zunehmend konstruierter und hanebüchener wurden und die perversen Folterszenarien- bekanntermaßen das Markenzeichen der Serie- immer mehr zum puren Selbstzweck verkamen, konnte die alteingesessene Anhängerschar nicht davon abhalten, im Kollektiv die Kinos zu stürmen. Ring frei also für Runde Nummer fünf- und wen wundert`s: Auch dieser neuerliche Aufguss leidet
unter dem häufig geschimpften Fluch der Abnutzung…
Jigsaw (Tobin Bell), das psychopathische Mastermind mit krankhaftem Gerechtigkeitssinn und verquasten Omnipotenzphantasien, und seine gelehrige Schülerin, die Fixerin Amanda (Shawnee Smith), weilen längst nicht mehr unter den Lebenden. Der krebskranke Killer mit dem eigenartigen Moralkodex (
“Töten ist widerlich. Ich gebe den Menschen eine Chance, zu beweisen, dass sie ihr Leben schätzen. Ergreifen sie diese, sind sie rehabilitiert!”) hat allerdings vorgesorgt- und vor seinem Ableben Detective Hoffman (Costas Mandylor) zu seinem würdigen Nachfolger erzogen. Dieser führt Jigsaws blutiges Handwerk nun gründlich und ohne jeden Skrupel fort. Er kidnappt fünf Leidensgenossen, die nur scheinbar keine Verbindung zueinander aufweisen, und lässt sie einen mörderischen Fallenparcours durchlaufen, den nur einer von ihnen überleben kann- und zwar jener, der in Bezug auf sein eigenes Leben am egoistischsten vorgeht. Während die potentiellen Opfer gegen die Zeit und den drohenden Tod ankämpfen und versuchen, sich anhand von verborgenen Hinweisen ihren Albtraum zusammen zu puzzlen, verfolgt der ehrgeizige FBI- Agent Strahm (Scott Patterson) unerbittlich die Fährte von Hoffman…
Als “Saw” 2004 die internationale Bühne betrat, begann für die daran Beteiligten eine Erfolgsgeschichte sondergleichen. Der erste Teil spielte mit einem Budget von gerade einmal 1,2 Millionen Dollar unglaubliche 80 Millionen weltweit wieder ein, so dass man an einer Fortsetzung logischerweise überhaupt nicht vorbei kam. Der nur ein Jahr später abgedrehte “Saw 2” krankte sowohl an seiner uninspirierten Geschichte, die jegliche Cleverness des Originals vermissen ließ, als auch an seinem umgestalteten Patchwork- Drehbuch, das der kurzfristig eingesprungene Regisseur Darren Lynn Bousman ursprünglich für seinen Serienkiller- Reißer “The Desperate” verwenden wollte, welches er dann aber Jigsaw auf den Leib schrieb, während er den Plot entsprechend eines “Saw”- Sequels leicht abänderte. Aber was soll`s: Auch Teil zwei konnte den großen Reibach einfahren und somit war der Dreh eines dritten Teils beschlossene Sache. Der Rest ist bekannt.
Nun sind wir inzwischen also bei “Saw 5” angelangt. David Hackl hat mittlerweile das Zepter übernommen und löst somit Bousman, der die Teile 2, 3 und 4 inszenierte, auf dem Regiestuhl ab. Dass Hackl dem Geist der Vorgängerfilme treu bleibt, versteht sich dabei fast schon von selbst, war er doch schließlich bislang als Setdesigner für die schmutzig- geschmacklose Szenerie der Filme zuständig. Als Regisseur schlägt er sich ebenfalls wacker, so dass es an der handwerklichen Qualität von “Saw 5” wenig bis nichts auszusetzen gibt. Die Mängel sind jedoch ohnehin an anderer Stelle auszumachen. Dass sich die Marke längst totgelaufen hat, muss dabei wohl nicht nochmals erwähnt werden. Wie üblich lassen die Macher ihren kranken Fantasien freien Lauf, ihrem Einfallsreichtum scheinen, was die tödliche Konstruktion der sadistischen Fallen anbelangt, keine Grenzen gesetzt. Gleich zu Beginn bekommt der Zuschauer diesbezüglich eine deftige Kostprobe, wenn ein Mann (ein Mörder und Ex- Knacki, der offenbar für seine Schandtaten büßen soll) auf einer Schlachtbank erwacht- an Armen und Beinen gefesselt- und vom Jigsaw- Clown über eine Videobotschaft mitgeteilt bekommt, dass er eine Minute Zeit hat, sich seine Hände in einer seitlich angebrachten Vorrichtung zu Staub zermalmen zu lassen. Schafft er dies nicht rechtzeitig, wird er von der scharfen Klinge eines massiven Pendels, welches über ihm schwingt und sich immer tiefer herabsenkt, in zwei Teile gerissen. Dass die Szene auf einen äußerst blutigen Ausgang zusteuert, ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
Obwohl es von dieser Sorte noch einige weitere Szenen zu bestaunen gibt, hält sich “Saw 5” in Sachen exzessive Gewaltdarstellung vergleichsweise zurück. Stattdessen rückt Hackl die in drei Ebenen aufgeteilte Handlung in den Fokus, womit er sich ein mittelschweres Problem aufbürdet, da das Storyfundament auf äußerst wackligen Beinen steht. Auf der einen Seite haben wir den gegenwärtigen Überlebenskampf der fünf Gefangenen in einem unterirdischen Folterlabyrinth. Der Ablauf dieses Handlungsstranges ist dabei recht konventionell. Hinzu kommt, dass der Umgang mit der moralischen Grundfrage nach der Wertschätzung des eigenen Lebens in dieser Phase beiweitem nicht mehr so glaubwürdig und effektvoll daherkommt wie im Original, sondern eher mit dem Holzhammer dargeboten wird, was ja speziell im ersten “Saw“, in dem jede einzelne psychologische Daumenschraube saß, nicht der Fall war. Die zweite Handlungsebene befasst sich in Rückblenden mit der Ausbildung Hoffman`s zum gewalttätigen Jigsaw- Erben, der zunächst aus Rache wegen des Mordes an seiner Schwester tötet. Dieser Teil des Films lebt zwar von einem charismatischen Tobin Bell, der sich hier, obgleich seine Figur in “Saw 3” das Zeitliche segnete, noch mal richtig austoben darf, nervt aber mit seinem übertriebenen Eifer, alte Plotlöcher stopfen zu wollen wie auch mit seiner aufdringlichen Neigung zum Selbstzitat. Durch die in allerlei Ausführung dargebrachten Reminiszenzen an die Prequels wirkt die Geschichte streckenweise sehr überfrachtet, was außerdem zur Folge hat, dass durch das Aufdecken alter Geheimnisse der Ur- “Saw”- Film unnötig entmystifiziert wird. Dieses “sich selbst Entzaubern” ist ein wiederholter Fehler, den bereits die Vorgänger, insbesondere
Saw IV, begangen haben.
Der dritte Handlungsstrang thematisiert die Jagd des FBI- Profilers Strahm auf den Schützling von Jigsaw, den dieser innerhalb des nur scheinbar sauberen Polizeiapparats vermutet. Diese Ebene verläuft im Gegensatz zur ziemlich verworrenen und wüst durch die Zeit springenden Flashback- Episode um die Killer- Anlernung von Hoffman einigermaßen geradlinig, sieht sich aber der vernichtenden Tatsache ausgesetzt, dass Scott Patterson seinem Agenten Strahm so gar keine einprägsamen charakterlichen Eigenschaften abgewinnen will und als eigentlich für die Story entscheidende Schachfigur erschreckend blass bleibt. Ähnlich verhält es sich im Übrigen auch mit den restlichen Darstellern, die mit Ausnahme von “Jigsaw” Tobin Bell mehr oder weniger profillos wirken. Die Versuche seitens der Macher, bereits dahingeschiedene Charaktere wie die von Shawnee Smith gespielte, drogensüchtige Jigsaw- Gesellin Amanda, mittels Rückblicken in den Film zu integrieren, wirken dabei- nebenbei bemerkt- sehr bemüht.
Gorehounds werden sich an diesen Mangelerscheinungen sowie der Tatsache, dass Jigsaws Säge mit jedem neuen “Saw”- Film stumpfer wird, weil eben zwangsläufig alles nicht mehr so frisch daherkommen kann wie im ersten Teil, nicht sonderlich stoßen. Immerhin haben sich die Verantwortlichen auch dieses Mal wieder mächtig ins blutige Zeug gelegt und sich kreativste Todesapparaturen ausgedacht, die so unbarmherzig zuschnappen wie eh und je. “Saw 5” schießt in diesem Belang jedoch nicht wie die vorherigen Teile über das Ziel hinaus und hält den Härtegrad in überschaubaren Dimensionen. Sicherlich werden empfindsame Feingeister bei einer sich langsam und gleichmäßig senkrecht durch den gesamten Arm eines Opfers bohrenden Kreissäge gefühlte Höllenqualen erleiden, doch so derbe wie beispielsweise bei der eröffnenden “Ring”- Sequenz aus
Saw III geht es hier nicht zur Sache. Die dreckige, düstere Atmosphäre wurde dagegen genauso beibehalten wie der unerwartete Schlusstwist, der in “Saw 5” jedoch deutlich schwächer ausfällt als im Voraus eventuell angenommen und Lichtjahre von der fulminanten Endpointe aus “Saw 1” entfernt ist.
Vermutlich wird Jigsaw, was die Anzahl seiner Leinwandauftritte angeht, in einigen Jahren mit seinen populären Schlächter- Kollegen wie Michael Myers, Jason Voorhees & Co. gleichgezogen haben. Wenn die Fangemeinde weiterhin ungehemmt dazu beiträgt, dass die Produzenten der “Saw”- Reihe fleißig Dollarnoten zählen dürfen, steht dem wohl nichts im Wege. Zumindest vorerst ist kein Ende in Sicht. Bereits Ende 2009 wird in den US- Kinos in “Saw 6” nämlich schon munter weiter gesägt. Um vorauszusagen, dass sich die Qualität der Filme nicht dauerhaft auf einem akzeptablen Niveau halten kann und wird, muss man jedoch kein Prophet sein. Und so hinterlässt auch “Saw 5” aufgrund mangelnder Innovation und fehlendem Wiedererkennungswert einen faden Nachgeschmack. Das Splatter- (Mach-) werk ist bestimmt keine lupenreine Katastrophe und verfügt trotz aller genannter Schwachpunkte über einen gewissen Unterhaltungswert, ist aber andererseits von einem guten Film auch ein riesengroßes Stück entfernt. Gespannt sein darf man trotzdem, wenn “Saw 6” Anfang nächsten Jahres in den hiesigen Lichtspielhäusern Einzug hält. Ob es die Filmcrew dann schaffen wird, auch den kritischen Cineasten wieder ein wenig froher zu stimmen? Wer weiß! Sicher ist nur so viel: Die Spiele sind noch lange nicht vorbei, womöglich haben sie gerade erst begonnen!?…