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Dreileben

Dreileben

Eine Serie von Dominik Graf, Christian Petzold, Christoph Hochhäusler

von Asokan Nirmalarajah

Es sollte das Fernsehgroßereignis des Jahres werden. Die Rede war von einem erzählerischen und stilistischen Experiment, das das (Erste) deutsche Fernsehen auf internationales, genauer: auf amerikanisches Niveau heben sollte. Den Anspruch, den mittlerweile auch viele andere US-Sendeanstalten neben dem Bezahlsender HBO, jenem legendären Vorreiter in Sachen zeitgenössischem „Qualitätsfernsehen“, an ihre Eigenproduktionen stellen, müsste man doch auch in hiesigen Gefilden erfüllen können. Das dachten sich zumindest die drei deutschen Regisseure Dominik Graf, Christoph Hochhäusler und Christian Petzold am Ende eines regen Gesprächs über die desolate, da stagnierende Situation des deutschen Kinos. Bereits im Jahr zuvor hatte Graf versucht mit der zehnteiligen Miniserie Im Angesicht des Verbrechens (2010) ein Fernsehprojekt von Kinoformat zu realisieren. Doch während sich die Kritik von dem ambitionierten Mehrteiler, der gar auf der Berlinale uraufgeführt werden durfte, begeistert zeigte und von einem Meilenstein des Fernsehmediums sprach, war die Ausstrahlung auf Arte ein Misserfolg. Auch der TV-Dreiteiler Dreileben (2011), den Graf, gestärkt durch die Auszeichnungen für seinen Vorgänger, zusammen mit Hochhäusler (Unter dir die Stadt, 2010) und Petzold (Die innere Sicherheit
, 2000), zwei der prominentesten Vertreter der sogenannten „Berliner Schule“, in Angriff nahm, erwies sich als ein Erfolg beim Fachpublikum und als Einschaltquoten-Desaster. Dabei ist Grafs lebendiger, unterhaltsamer Beitrag zu der TV-Film-Trilogie der einzige sehenswerte Krimi in dem überwiegend ermüdend prätentiösen, unaufregenden Genre-Bastard aus Heimatfilm und Serienkiller-Thriller.
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Dreileben teilt sich in drei eigenständige, 90minütige Spielfilme, die alle am selben Ort und zur gleichen Zeit spielen, mehrere Figuren miteinander teilen und ihren Ausgangspunkt in der Flucht des verurteilten Serienmörders Molesch (Stefan Kurt) haben, als dieser in einem Hospital am Rande des Thüringer Waldes seine verstorbene Pflegemutter besucht. In Christian Petzolds „Etwas Besseres als den Tod“ verhilft ihm der junge Zivildienstleistende Johannes (Jacob Matschenz) unfreiwillig zur Flucht, als er in seiner Zerstreuung die Zimmertür offen lässt. Während Molesch sein Unwesen in den Wäldern und dem Örtchen Dreileben treibt, hat unser Protagonist Johannes ganz andere Sorgen. Zu der mangelnden Motivation für sein Medizin-Studium gesellt sich in der attraktiven Gestalt des bosnischen Dienstmädchens Ana (Luna Mijovic) eine schwierige, ungewollte Liebesbeziehung. Ist er doch darum bemüht gesellschaftlich aufzusteigen durch eine Liaison mit Sarah (Vijessa Ferkic), der schönen Tochter des ihm vorgesetzten Chefchirurgen Dreier (Rainer Bock). In Dominik Grafs „Komm mir nicht nach“ wird die Polizeipsychologin Jo (Jeanette Hain) nach Dreileben gebeten, um ein Profil des entflohenen Molesch anzufertigen. Doch auch die energische Fahnderin hat ganz andere persönliche Probleme, die ihre und unsere Aufmerksamkeit beanspruchen. Als die alleinerziehende Mutter aufgrund eines Fehlers bei der Hotelbuchung bei ihrer Freundin Vera (Susanne Wolff) und deren Mann Bruno (Mišel Matičević) in einer nahegelegenen alten Villa übernachten muss, realisiert sie, dass Vera und sie vor Jahren in München, ohne es zu wissen, den gleichen Liebhaber hatten. Die Spurensuche führt sie in die gemeinsame Vergangenheit und verändert beider Gegenwart. In Christoph Hochhäuslers „Eine Minute Dunkel“ rückt schließlich der Mörder selbst in den Mittelpunkt. Während der Sexualstraftäter durch seine frühere Heimat Dreileben irrt und damit mehr und mehr in seine Vergangenheit und Psyche dringt, heftet sich der vor seiner Pension stehende leitende Kommissar Marcus Kreil (Eberhard Kirchberg) an Moleschs Fersen. Kreil ringt dabei auch mit seiner eigenen körperlichen und seelischen Gesundheit.
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Zur „Berliner Schule“ wurden Mitte der 1990er Jahre erzählerisch und stilistisch unorthodoxe Filmemacher wie Thomas Arslan, Angela Schanelec und Dreileben-Co-Regisseur Christian Petzold gezählt, die nicht nur alle aus der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin hervorgingen, sondern mit ihren Debütfilmen auch eine neue Stilrichtung im deutschen Kino darstellten. Die Kritik zeigte sich angetan von den antimelodramatischen, nüchternen Filmen, die im strengen Kontrast zu den damals erfolgreichen Beziehungskomödien standen. Das aus dieser Schule heraus entwickelte multiperspektivische Fernsehkrimi-Panorama Dreileben vereint den Berliner Petzold nun mit zwei Münchenern, mit dem Regieveteranen und Genre-Spezialisten Dominik Graf („Die Katze“) und Christoph Hochhäusler („Milchwald“), der trotz seines Abschlusses an der Münchener Hochschule für Fernsehen und Film zur jungen Berliner Schule gezählt wird. Die Charakteristika der Berliner Schule finden sich überall in Dreileben, am deutlichsten an der sachlichen, distanzierten Erzählhaltung, die um Realismus und Authentizität bemüht ist, aber nicht selten für Nervosität und Beklemmung sorgt. Entsprechend bedrückend sind auch die Themen der Berliner Schule, aus denen sich der TV-Mehrteiler großzügig bedient: in kühlen, ermüdend statischen Bildern geht es hier um die Abgründe der heilen deutschen Heimatwelt, wo physische, psychische und sexuelle Brutalität schlummert.
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Der Fokus auf die zwischenmenschlichen Probleme der in den Fall Molesch mehr oder minder verwickelten Protagonisten der jeweiligen Filme statt auf die eigentliche Fahndung ist durchaus erfrischend. Die sperrige und wenig inspirierte Umsetzung bleibt allerdings viel schuldig. Während Petzold sich ganz und gar in die reizlose Liebesgeschichte zwischen den Sozialschichten verliert und keine rechte Spannung zwischen seinen zwei hübschen Protagonisten erzeugen kann, misslingt Hochhäusler seine Dekonstruktion des Serienkiller-Thrillers aufgrund zu vieler Genre-Klischees. Es erweist sich als eine höchst frustrierende Strategie, altbackene Narrative aufzufrischen, indem man einfach das Tempo drosselt und sich affektierten, langatmigen Moment- und Naturaufnahmen hingibt. Das erweist sich sowohl in dem romantisch-tragischen Liebesfilm „Etwas Besseres als den Tod“, als auch in der atmosphärisch dichten Psychostudie „Eine Minute Dunkel“ trotz interessanter Einblicke in die Gegend um den Thüringer Wald und seine Geschichte als gehörige Spaßbremse. Umso stärker sticht da Grafs stiltreuer, aber dabei doch lebendiger und gefühlssicher erzählter Beitrag „Komm mir nicht nach“ aus dem Gesamtprojekt heraus.

Im Unterschied zu seinem Vor- und seinem Nachfolger gerade nicht in steriler High Definition-Optik, sondern in grobkörnigem 16 mm gedreht, handelt auch Grafs von Kommunikationsproblemen, setzt der bedeutungsschwangeren Sprachlosigkeit der Berliner Schule aber ein ansprechendes Dialogfeuerwerk entgegen, das den betont visuellen Erzähler Graf allerdings nie aus dem Konzept bringt. Mit seinem relativ berechenbaren, nostalgisch durchtränkten Beziehungsdrama „Komm mir nicht nach“ erzählt Graf eine psychologisch spannende, vielschichtige Geschichte mit drei engagiert agierenden Hauptdarstellern. Das ist für sich genommen nichts Besonderes, aber im eher enttäuschenden Kontext von „Dreileben“ eine kleine, absolut sehenswerte Sensation.

Die Blu-ray-Veröffentlichung präsentiert jeden Teil des Mehrteilers auf einer separaten Disc, zusammen mit einem hübschen Booklet und einem leicht prätentiösen Making-of.

Eine Rezension von Asokan Nirmalarajah
(05. November 2011)
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Daten zur Serie
Dreileben D 2011
Regie Dominik Graf, Christian Petzold, Christoph Hochhäusler Drehbuch Christian Petzold, Dominik Graf, Markus Busch, Christoph Hochhäusler, Peer Klehmet
Produktion Bayerischer Rundfunk u.a. Kamera Hans Fromm, Michael Wiesweg, Reinhold Vorschneider
Darsteller Jacob Matschenz, Luna Mijovic, Rainer Bock, Stefan Kurt, Susanne Wolff, Misel Maticevic, Jeanette Hain
Länge 88/89/90 FSK 12
www.daserste.de/dreileben
Filmmusik Stefan Will, Sven Rossenbach, Florian van Volxem, Bert Wrede
DVD- und Bluray-Start: 30.08.2011
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