(USA, 1979)
„Something caused all this. But what caused… that cause?“
The Black Hole ist einer dieser Lieblingsfilme, die schwer vermittelbar sind. Man kennt sie aus der Kindheit, einer Phase in der alle Eindrücke so frisch und kräftig sind wie sie es nie mehr im Leben sein werden. Und in der einem geschmäcklerische Selbstzensur völlig fremd ist.
Und es ist wirklich schwer anderen Lebewesen zu vermitteln, was es an diesem SciFi-Thriller aus der Disney-Produktion gut zu finden gäbe. Die Kritik goss reichlich Häme über ihn aus, meistens wegen der etwas absurden Ausgangsidee (wobei doch bitte mal zu klären wäre, was im Bereich der Science Fiction
nicht absurd ist) – oder wegen den mehrheitlich für lustlos und fade befunden Schauspielerleistungen. Heute geiert sich die Cineastencommunity über die veraltete Tricktechnik ab. (Wie tapfer.)
Aber setzen wir uns doch einmal hin, nehmen uns einen Keks und analysieren in aller Ruhe.
Am Anfang stand eine unkreative, aber ökonomisch nachvollziehbare Idee, die im Hause Disney umherwaberte. Da gab es, 1977, diesen Film von diesem Typen, wo es – laut deutschem Titel – um Sterne geht, die sich gegenseitig bekriegen.
Dieser Film war, gelinde gesagt, extrem erfolgreich. Roger Corman, diese nimmermüde Elster, nahm ab sofort nur noch Drehbücher in die Hand, die außerhalb der Er
de spielten. Gerne durften auch dort
Monster drin vorkommen. Sogar James Bond (Roger Moore, schon sehr betagt) musste in
Moonraker (1979) seine müden Knochen ins All bewegen. Da konnte Disney schlecht hinten anstehen. Es war aber das erste Mal, dass sich die Produktionsfirma, die ihr Geld bislang mit sprechenden Zeichentrickviechern und gefälliger Familienunterhaltung machte, auf ein solches Terrain wagte. Nach dem Tode von Walt Disney herrschte Unentschlossenheit über die zukünftige Marschrichtung, und
The Balck Hole (1979) ist Zeugnis dieser Wackelphase.
Das Ergebnis war ein ungewöhnlich düsterer Science Fiction-Streifen, der einer Altersfreigabe bedurfte - ein Novum in dem Hause, das eine grinsende Maus als Aushängeschild hat. Ein technisch hochgezüchteter Film am Reißbrett, für den Disney ein neuartiges Kamerasystem entwickelte, an dessen Script ein ganzes Rudel Autoren rumfuhrwerkte und dessen Dialoge in der Postproduktion noch einmal völlig neu aufgenommen wurden. Aus so einem nervösen Kuddelmuddel entsteht gewöhnlich nichts Großes. (Ausnahmen bestätigen die Regel, Mister F. F. Coppola!). Aber einen gewissen Charme kann man diesem Film einfach nicht absprechen.
Das Forschungsraumschiff ‚Palomino’, unter dem Kommando von Captain Dan Holland (Robert Forster) erkundet das Weltall nach intelligentem Leben. Sie finden am Rande eines schwarzen Lochs das seit zwanzig Jahren verschollen geglaubte Raumschiff ‚Cygnus’. Das Kommando hat der exzentrische Dr. Hans Reinhardt (Maximilian Schell). Außer ihm befinden sich nur Androiden und Kampfroboter an Bord. Sein Schiff hat er zu einer gigantischen Weltraumstadt ausgebaut. Reinhardt möchte durch das Schwarze Loch fliegen, um sich auf der anderen Seite revolutionäre Erkenntnisse über Gott und das Sein der Dinge an und für sich zu verschaffen. Als die Crew jedoch herausfindet, dass es sich bei den Androiden um menschliche Roboter, Reinhards ehemalige Crew handelt, die er gegen ihren Willen verskalvte, herrscht für Holland und seine Mitstreiter Lebensgefahr.
Ja gut. Lebensnahe Geschichten hören sich anders an. Die Idee war eine Steilvorlage für Verrisse – zumal eine völlig falsche Vorstellung davon erzeugt wird, was ein Schwarzes Loch überhaupt ist. Nämlich überhaupt kein ‚Loch’ und erst recht kein Portal in eine andere Welt.
Aber eigentlich vergessen doch viele, von welchem Genre wir reden. Sind Geschichten über Jedi-Ritter, die gegen röchelnde Großschnauzen mit schwarzen Helmen und monströse Todesraumschiffe kämpfen, soviel besser?
Und dann: den Begriff des Schwarzen Loches zu wörtlich zu nehmen – eine Idee, an und für sich natürlich Unfug, aber in der Welt des Kinos, vor allem der Science Fiction, wo Phantasie das Gebot der Stunde ist, völlig legitim. Würde man immer auf die Einhaltung wissenschaftlicher Exaktheit pochen, müsste jedem SciFi-Film ein Telekolleg Astrophysik folgen.
Dann wären da die Schauspielerleistungen. Die
Süddeutsche Zeitung monierte, Schell wirke als verrückter Professor im Weltall eher lächerlich als bedrohlich, und das ist natürlich reine Ansichtssache. Vom Typ her passt Schell, mit seinen irren Augen und seiner ausdruckstarken Stimme, hervorragend zu seiner Rolle. Weder strapaziert er seine Ausdrucksmöglichkeiten (Stichwort ‚overacting’), noch agiert er lustlos oder hölzern. Seine prominentesten Kollegen in der Besetzungsliste, Anthony Perkins und Ernest Borgnine, spielen das, was sie gut können. Perkins als introvertierter Dr. Durant konnte schon immer gut den verstockten Schüchterling spielen, Borgnine als Reporter Harry Booth gibt den linkischen Gernegroß. (Die zeitgenössische Kritik mutmaßte, für ihr Mitwirken in diesem Film sei – Achtung, jetzt folgt ein ewiggrüner Klassiker der Kritikerfrotzelei – vermutlich ein Schwarzes Loch in ihrem Konto verantwortlich.)
Joseph Bottoms spielt den Piloten Charles Pizer, der obligatorische Draufgängertyp. Yvette Mimieux ist die einzige Frau im ganzen Film, das reicht als Alleinstellungsmerkmal völlig aus. Für mich fällt nur Robert Forster als Captain Holland etwas ab. Irgendwie scheint der Mann von der ersten bis zur letzten Minute keine Lust auf die gesamte Unternehmung ‚Film’ gehabt zu haben. (Alternativtheorie: Gesichtslähmung.)
Mit Sicherheit ein Tiefpunkt, der es wirklich schwer macht, Disneys große Materialschlacht goutierbar zu machen, ist der Roboter V.I.N.C.E.N.T., dem im Original Roddy MacDowell seine Stimme verlieh. Die Disneys konnten es wohl nicht lassen und mussten irgendetwas Süßes und Knuddeliges ins Drehbuch schreiben.
Das Ergebnis war noch entsetzlicher als das, was sich George Lucas bei seinem leicht tuckigen
Star Wars-Roboter C-3PO gedacht haben muss: ein unausgesetzt klugscheißernder Schraubenhaufen, der zu jeder Gelegenheit Weisheiten und Aphorismen aus dem Apothekenkalender zum Besten gibt. Dass er von dem Riesenroboter, der Dr. Reinhardt als Leibwächter dient und von den Scriptautoren tatsächlich ‚Maximilian’ getauft wurde, nicht zerquetscht und in seine Einzelteile zerlegt wird, ist der eigentliche Thrill.
Die Tricktechnik ist heute nicht mehr spektakulär, das versteht sich von selbst. Doch auch wenn einige immer noch so tun, als hätte hier Ed Wood Regie geführt, muss man doch festhalten, dass hier vieles amtlich ist. Das Riesenraumschiff Cygnus beispielsweise ist den Produktionsdesignern ausgesprochen gut gelungen. Die Kometen im Finale sind immerhin manierlich (wenn auch, im Grunde, unrealistisch), die Laserpistolenballereien wenigstens state of the art (wenn auch, im Grunde, nervend). Dass man in der Einstellung, in der Joseph Bottoms laut Drehbuch abrutscht und ins All zu driften droht, eindeutig die Fäden sehen kann, an denen er baumelt, ist in der Tat ein Faux-pax, aber für den Aufkleber mit der Aufschrift „B-Movie“ reicht das trotzdem nicht. (Und ich weiß nicht, ob das auch in der Kinoversion der Fall war, oder erst auf DVD zum Vorschein kam.)
Wir haben uns nun ausführlich der Minusliste unserer Analyse gewidmet. Auf der Haben-Seite steht, im Grunde, weniger. Aber das – und dass ist ja in der Tat eine dieser typischen Eigentümlichkeiten in der zwangsläufig subjektiven Beurteilung eines Kunstwerkes – wiegt einfach schwerer und stimmt milde. Jedenfalls mich.
Zuerst einmal ist diese Geschichte sympathisch größenwahnsinnig. Ich finde das in keiner Weise verwerflich. The sky's the only limit. Frank Capra schrieb einmal, für einen Regisseur gäbe es keine Verbote, nur Sünden. Und die größte Sünde sei die Langeweile. Dieses Gebot ist hier eindeutig befolgt worden. Das Universum, die Grenzen der Erkenntnis, die Suche nach Gott und dem ewigen Leben – das ist großer, herrlicher Erzählstoff. Überlebensgroß. Er entwickelt eine, ich muss es leider schrieben, sehr intensive Sogwirkung, in der die meisten Unzulänglichkeiten verschwinden.
Die Musik von John Barry, der viele James Bond-Filme vertonte, ist unglaublich, atemberaubend, bombastisch, bedrohlich und majestätisch. Alles zusammen. Es gibt nicht viele Filme, in denen der Score so perfekt zu Thema und Stoff passt. Die anschwellenden Geigen, das gespenstische Pfeifen, die grollenden Pauken. Nichts passt besser zum Wahnsinn des Dr. Reinhardt und zur Großspurigkeit des Themas. Barry tat dem Produktionsteam auch den Gefallen, für die Actionsequenzen einen donnernden Heldenmarsch zu komponieren, der sich hinter
Star Wars nicht verstecken muss.
Im Finale halten sich noch einmal Qualität und Peinlichkeit die Stange. Während die Bösen in der Hölle landen (zumindest sieht es danach aus), und das in eindrucksvolle Bilder gekleidet wird, beschleicht einen das Gefühl, dass im unmittelbaren Anschluss archetypische Vorstellungen von Himmel und Engeln Pate standen. Und das ist nun mal nichts als veritabler Kitsch und überhaupt nicht gut.
Aber die Disneys hatten ja schon mehr Mut, als man jemals hätte erwarten können. Es ist zwar ein eigentümliches Happy End, bei dem der Zuschauer keine Ahnung hat was eigentlich passiert ist, aber die Musik sagt überdeutlich, dass es etwas Gutes sein muss.
The Black Hole. Vielleicht das großkotzigste Kleinod der Filmgeschichte.