Als der 12jährige Sam (Rory Culkin) auf dem Schulhof unvorsichtigerweise eine scheinbar herrenlose Videokamera für einen kurzen, unschuldigen Zeitvertreib an sich nimmt, wird er dafür vom stämmigen George (Josh Peck) – Schultyrann vom Dienst und rechtmäßiger Besitzer der Kamera – mit vollem Fausteinsatz bestraft. Sams älterer Bruder Rocky (Trevor Morgan) und dessen Freunde Clyde (Ryan Kelley) und Marty (Scott Mechlowicz) beschließen daraufhin, dass es an der Zeit ist, dem mittlerweile routinierten Schläger endlich eine Lektion in Sachen Demütigung zu erteilen. Um dabei etwas mehr Raffinesse an den Tag zu legen als gewöhnlich in Georges Schikanen zu finden ist, legen sie sich sorgfältig einen Plan zurecht. Bis ins Detail ausgetüftelt sieht dieser vor, George unter falschem Vorwand in die Wildnis zu locken, ihn dort zu dem Wagnis Nacktbaden herauszufordern, dann all seine Kleider zu entwenden und ihn in dieser Situation zurückzulassen, so dass er im peinlich enthüllendem Adamskostüm und vollkommen auf sich allein gestellt in die Stadt zurückfinden muss.
Also laden sie ihr nichtsahnendes Opfer zu einem Bootausflug ein, welcher – zumindest offiziell – Teil der Feier anlässlich Sams Geburtstag ist und außerdem der Aussöhnung der verfehdeten Jungen dienen soll. Doch bereits während der Autofahrt zeigt sich der sonst so feindselige George von einer gänzlich unbekannten, aufgeschlosseneren Seite, obwohl er zwischendurch auch weiterhin sein
e üblichen Momente von Gemeinheit und Bosheit zeigt. Als Sams Freundin Millie (Carly Schroeder), die ebenfalls an dem Trip teilnimmt, jedoch über dessen eigentlichen Sinn im vornherein nicht informiert wurde, von dem Plan der Jungen erfährt, drängt sie Sam dazu, das ganze demütigende Vorhaben abzublasen. Auch in Sam, Rocky und Clyde regen sich langsam Zweifel, scheint George doch eher ein missverstandener Einzelgänger auf der Suche nach Anschluss zu sein, dem die Erscheinung des gewissenlosen Schlägers nur als Maskerade dient. Lediglich Marty traut dem Frieden nicht und ist entschlossen, unter allen Umständen am ursprüngliche Plan festzuhalten. Doch bevor es zu einer endgültigen Entscheidung kommt, ob das Vorhaben wie beabsichtigt umgesetzt oder doch aufgegeben wird, verursacht eine Runde „Wahrheit oder Pflicht“ einen Moment voller Anspannung, Fehlurteilen und Streit, der schließlich einen tragischen Ausgang nimmt und das Leben aller Beteiligten einschneidend und auf Dauer verändert...
Wenn alle Welt eifrig und wiederholt
Jacob Aaron Estes'
"MEAN CREEK" mit Rob Reiners "
Stand By Me - Das Geheimnis eines Sommers" [1986] vergleicht, wollen wir uns diesem allgemeinen Trend nicht entgegenstellen. Immerhin ist jene Herangehensweise durchaus sinnvoll, um das Wesen von
"MEAN CREEK" zu erfassen, werden doch so die relevanten Inhalte schneller und einfacher (be-)greifbar. Ebenso wie "Stand By Me" rückt Estes' Film eine Gruppe Kids beziehungsweise Teenager in den Fokus, Erwachsene spielen eher eine untergeordnete Rolle; beide Werke erzählen vom plötzlichen Verlust kindlicher Unschuld und dem sprunghaften Eintritt ins Erwachsenenleben innerhalb eines sehr eng gesteckten Zeitrahmens, heraufbeschworen durch eine kurze aber folgenreiche Serie von unerwarteten Ereignissen, welche die Figuren in ein moralisches Dilemma versetzen und sie zwingen, sich zu entscheiden, ob sie bereit sind, Verantwortung für Andere ebenso wie für sich selbst und für ihre eigenen Handlungen zu übernehmen; ein Fluss dient in beiden Filmen als bildliches Symbol für diese innere Reise; und in beiden werden Gewalt und Tod in einer geradezu melancholischen landschaftlichen Umgebung thematisiert.
Doch an einem gewissen Punkt enden die Gemeinsamkeiten. Wo "Stand By Me" die bedrückende Stimmung immer wieder mit heiteren Momenten auflockert und so das Gefühl kindlicher Unbeschwertheit weitaus länger bewahrt, zeigt sich
"MEAN CREEK" von Anfang an als atmosphärisch dichte Erfahrung sowohl für seine Figuren als auch für den Zuschauer. Obwohl überwiegend bestimmt von ruhigen Bildern und längeren Sequenzen mit wenigen, leise vorgetragenen Dialogen etabliert der Film frühzeitig einen intensiven Grad an Spannung und hält diesen von da an konsequent aufrecht. Dieser ist zu einem großen Teil dafür verantwortlich, dass die Lehre der Geschichte – wie notwenig es für jeden Einzelnen ist, die unvermeidlich folgenden Konsequenzen seines eigenen Handelns zu akzeptieren und moralische Integrität zu beweisen – dem Zuschauer geradezu mit dem Vorschlaghammer eingetrichtert wird. Doch gleichzeitig weigert Drehbuchautor und Regisseur Estes sich, seinen Figuren einen eindeutigen Platz im ethischen Weltgefüge zuzuordnen. Indem er unbeschönt sowohl positive als auch negative Charaktereigenschaften und Handlungsmomente all seiner Figuren offen portraitiert und außerdem den Abspann und damit das Ende der Erzählung einläutet, bevor sie an jenen Punkt gelangt, an dem geklärt wird, ob und wie die einzelnen Charaktere für das Geschehene bestraft werden, verwahrt er sich davor, ein endgültiges Urteil zu fällen. Keine der Figuren wird bevorzugt in den Fokus gerückt oder als (moralisch) überlegen dargestellt, sodass trotz der offensichtlichen Belehrung, mit welcher der Zuschauer sich nach dieser – wenn man so will augenöffnenden – Reise letztendlich bereichert sieht, ein objektiver Standpunkt in der Erzählung der Geschichte erhalten bleibt.
Gerade durch den großen Gegensatz zwischen objektiver Erzählweise und extrem offensichtlicher Ermahnung zu korrektem zwischenmenschlichen Verhalten funktioniert der Film. Die übermäßige Betonung nur einer Seite hätte das Boot sehr schnell zum Kentern gebracht und die Reise damit vorzeitig zum Scheitern verurteilt. Die Bewahrung des Gleichgewichts jedoch hält den Erzählfluss lebendig und verhindert, dass die Schauspieler in einem Strudel von Lektionen untergehen. Stattdessen verleihen die Figuren, welchen von ihren jungen Darstellern durch die Bank weg glaubhaftes Leben eingehaucht wird, den Schilderungen ein menschliches Antlitz und damit mehr Überzeugungskraft. So zeigt sich Jacob Aaron Estes'
"MEAN CREEK" ähnlich wie "Stand By Me" vor allem als einfühlsame und sehr intensive Charakterstudie. Zwar keine allzu leichte Kost (trotz der Freigabe ab 12 Jahren), aber unbedingt sehenswert.