(USA, 1977)
„I´m not wearing any pants. Film at eleven.”
Philosophiestudenten kennen das aus leidlichen Zwangsseminaren im Arbeitsbereich Analytische Logik: Der Satz „Schnee ist weiß“ ist wahr genau dann wenn Schnee weiß ist. So einfach ist das. Im Grunde könnte man auch schreiben: "Wer das hier liest, ist doof". Und so ähnlich funktioniert
Kentucky Fried Movie. Wenn der Fernsehansager dem Zuschauer eröffnet: "In das Popcorn, das sie gerade essen, haben wir reingepisst. Film um acht." Jim Abrahams, David und Jerry Zucker, die für diese Perle verantwortlich sind, sagen uns: „Macht nix, wir sind alle nicht ganz dicht! Genießt die Show!“
Gedreht für eine Witzsumme von 650.000 Dollar, entwarfen sie und
Blues Brothers-Regisseur John Landis ein grell gezeichnetes Panorama der amerikanischen Medienkultur der Siebzigerjahre. Das Prinzip der Anarchie bestimmt die Form, man wählte die Gattung Episodenspielfilm, der zu diesem Zeitpunkt keine erfolgreichen Vorgänger hatte, danach jedoch andere große Geister mit Inspiration versorgte. Man denke an Terry Gilliams
The Meaning of Life (
Der Sinn des Lebens, 1983). Das einzige, was die zweiundzwanzig Episoden zusammenhält, ist der leicht infantile Irrsinn. Und den hatte nach den Pionieren der Screwball Comedy niemand mehr so gut auf die Leinwand bekommen wie Landis und sein Autorenteam. Es überrascht nicht,
dass Abrahams und die Zucker-Brüder der Welt noch so anbetungswürdige Blödsinnsklassiker wie
Airplane! (
Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug, 1980),
Top Secret (1984) und
The Naked Gun (
Die nackte Kanone, 1988) geschenkt haben.
Kentucky Fried Movie verfährt nach dem Zufallsprinzip, die meisten Episoden dauern nur einige Minuten. Als ob man an einem beliebigen Abend durch die Kanäle zappt. Die scheinbare Systemlosigkeit, mit der die kleinen Filme zusammengeschlossen sind, sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es hier ein einendes Prinzip gibt, das über die Grenzen der Mediensatire hinausreicht. Es ist die Außerkraftsetzung der Realität in ihrer sinnvollen, gewöhnlichen Form. Situationen des Alltagslebens werden auf einmal absurd und bekloppt. Ein Mechanismus, den Landis auch rund zehn Jahre später bei
Amazon Women on the Moon (
Amazonen auf dem Mond, 1987) verwendete. Ein normaler Kinobesuch wird zu einem gefühlsechten Erlebnis, wenn ein Kinomitarbeiter sich hinter den zahlenden Zuschauer stellt und all das mit ihm macht, was der Hauptfigur im vorgeführten Film ebenfalls passiert, all ihre erfühlbaren Erlebnisse auf den Zuschauer überträgt. Deshalb nimmt der junge Mann auch Reißaus, als der Film außerplanmäßig abgebrochen und stattdessen ein Porno gezeigt wird. Dieses Spießumdrehen ist schon deshalb zu köstlich, weil hier Alfred Hitchcocks Theorem vom Filmzuschauer als Voyeur und Sadist auf die Probe gestellt wird. Was würden wir uns alles nicht ansehen, wenn unserem Körper das gleiche passiert wie dem Protagonisten. Man denke an Dustin Hoffmans unfreiwilliger Zahnbehandlung in
Marathon Man. Aua!
In der letzten Episode, dem Glanzstück des ganzen Films, sitzt ein Pärchen vor dem Fernseher. Sie will die Nachrichten schauen, er will lieber sie. Irgendwann hat sein penetrantes Petting Erfolg und beide wenden sich vom Bildschirm ab. Dann beginnt der Nachrichtensprecher recht unkonzentriert zu werden, seine Worte stocken. Er ruft seine Aufnahmekollegen (hier Abrahams und die Zuckerbrüder) herbei und zeigt ihnen, was sich da Heißes abspielt. Als die beiden dann gemeinsam zum Orgasmus kommen, wippen die Spanner in der Glotze rhythmisch mit und scheinen selbst am Ende sehr 'satisfied' zu sein. Der Fernseher wird zu einer Art Televisor wie in Orwells
’1984’. Nur haben hier alle Beteiligten ihren Spaß.
Andere Episoden lassen sich im Grunde als astreine Mediensatiren beschreiben, sofern sie die bekannten Formen der medialen Erzähl- und Darstellungsweisen aufs Korn nehmen. Und in diesen Topf haben Landis und Co. so ziemlich alles geworfen, was die Siebziger Jahre an Mainstream und Subkultur ausgespuckt haben. Karatefilmfakes im Bruce Lee-Stil. Katastrophenthriller-Persiflagen und Mosterhorror-Verarsche. Werbefilme für ein Monopolyspiel, bei dem man Kennedy ermorden und danach entkommen muss (es muss ein Spiel für Neocons sein). Bill Bixby, der unglaubliche Hulk im glaublichen Zustand, macht Werbung für ein Kopfschmerzmittel. Nachrichten, in denen sich die Kontrahenten beleidigen und ein Gorilla Amok läuft - man hat ihm eröffnet, dass er impotent ist. Stocksteife Leerfilme für die High School (
’Zinc Oxide and You’). Kinotrailer für Exploitation, Sexploitatoin und Blaxsploitation. Es ist die Art von Humor, die vom Zitieren bekannter Muster und Formen lebt, die später auch Matt Groening in den
Simpsons kultivierte. Nimmt man alle Episoden in
Kentucky Fried Movie zusammen, der auf den ersten Blick nichts anderes zu sein scheint als zerfasertes, segmentäres Chaos, ergibt sich daraus ein ungemein reiches Zitatuniversum.
Die Presse war damals wenig begeistert. Lawrence van Gelder, sichtlich abgeturnt von so viel profaner Sinnfreiheit, kam in den
New York Times auf die viel zu nahe liegende Frotzelei, den Film mit Kentucky Fried Chicken und McDonalds zu vergleichen und ihm gerade deshalb einen großen Erfolg an den Kinokassen vorauszusagen. Um dann lakonisch mit der Bemerkung zu schließen, dass Popularität nicht zum „Anbeten von Mittelmaß“ berechtige.
Filmkritiker, was wissen die denn?!