One by one.
Harper's Island ist eine kleine Insel, etwa 37 Meilen vor der Küste Seattles gelegen. Der Frieden auf dem eigentlich so ruhigen Eiland wird jäh gestört, als eine brutale Mordserie die Gemeinde erschüttert und sechs Todesopfer fordert. Unter ihnen ist auch die Frau des örtlichen Sheriffs, deren Tochter, Abby, nach dem tragischen Verlust die Insel verlässt, um die Erinnerungen an das Erlebte hinter sich zu lassen.
Doch das Davonlaufen funktioniert nur eine Zeit lang. Denn als Abbys bester Freund beschließt, seiner Verlobten auf eben dieser Insel das „Ja“-Wort zu geben, muss sie sich ihm zuliebe den Schrecken ihrer Vergangenheit stellen. Und zwar in weitaus drastischerer Weise als sie es für möglich gehalten hätte. Denn kaum ist die Hochzeitsgesellschaft auf
Harper's Island angekommen, wird die Gruppe auch schon systematisch dezimiert. Zunächst unbemerkt von den Feiernden, aber dennoch beständig findet einer nach dem anderen einen gewaltsamen Tod. Die Geschichte scheint sich zu wiederholen und das Grauen hat gerade erst begonnen...
Was mit "
Scream" oder "
Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast" bereits in den 90er Jahren den Weg zurück auf die Kinoleinwand gefunden hat und einem vor allem jungen Publikum mehr oder weniger erfolgrei
ch das Gruseln lehrte, erlebte 2009 eine Neugestaltung in der Welt des Fernsehens.
Ari Schlossberg, Drehbuchautor von "Hide and Seek" [2005], nahm sich des Konzepts des Slasher-Films an und verwendete es als Grundlage für eine TV-Serie, die zwischen Horror, Thriller und Drama hin- und herpendelt. Begleitet wird sie von der Web-Serie "Harper's Globe", dem Video-Tagebuch der jungen Reporterin Robin, die frisch auf die Insel gezogen bei der örtlichen Zeitung anfängt und durch ihre Arbeit in eine Geschichte voller Rätsel und gefährlicher Geheimnisse hineingezogen wird. Diese Erzählung ist jedoch keine notwendige Ergänzung, sondern sollte lediglich bereits vor dem Start der TV-Serie Aufmerksamkeit erregen und auch ein jüngeres Publikum für das Programm des verantwortlichen Senders CBS begeistern. Den Geschehnissen in
"HARPER'S ISLAND" kann man getrost auch ohne Web-Hintergrund folgen.
Zunächst ist der Zuschauer den Protagonisten gegenüber im Vorteil, da diese einige Episoden lang von den Morden gar nichts mitbekommen. In gewisser Hinsicht spiegelt dies die Zeit der Dreharbeiten wider, während derer bis auf eine Ausnahme keiner der Hauptdarsteller wusste, ob und wann seine Figur das Zeitliche segnen würde. Nicht bis zu dem Tag, an dem das entsprechende Skript ausgegeben wurde.
Während der Zuschauer sich also bereits inmitten einer Reihe unerwarteter und brutaler Todesfälle wiederfindet, sind die Charaktere auf dem Bildschirm noch mit den Freuden des nahenden Festes beschäftigt. Allerdings ziehen auch hier erste Wolken auf, als in Nebensträngen diverse Problemchen und Einzelschicksale angedeutet werden. Diese sind zum Großteil tatsächlich nebensächlich, ohne Tiefgang, und dienen wahrscheinlich nur dazu, die Figuren beschäftigt zu halten, damit sie episodenlang ahnungslos bleiben und nicht zu schnell bemerken, welche Gefahr ihnen eigentlich droht.
Im Grunde ist der Zuschauer aber auch gar nicht wirklich erpicht darauf, in die persönliche Geschichte eines jeden Einzelnen einzudringen. Wo nötig reichen die spärlichen Hintergrundinformationen aus, um für einen Teil der Gruppe Sympathien aufzubringen. Der Rest bleibt eher eindimensional und farblos, was nur als Vorteil ausgelegt werden kann. Denn wer will sich schon en detail mit fünfundzwanzig Lebensgeschichten auseinander setzen müssen?! Im Fokus der Aufmerksamkeit steht ohnehin der zunächst unsichtbare Killer, und so sind auch nur jene Informationen, die zur Aufklärung des Rätsels um die Mordserie beitragen könnten, von Interesse.
Nun muss sich jedoch niemand Sorgen machen, dass der Mangel an Nebengeschichten und die Erweiterung der Slasher-Handlung von Spielfilmlänge auf dreizehn Serienepisoden zu Eintönigkeit und Langeweile führt. Zwar bricht der Spannungsbogen hin und wieder etwas ein, das Ratespielchen um den nächsten Todesfall hält den Zuschauer aber jederzeit bei Laune. Zumal sich die Drehbuchautoren nicht um Konventionen hinsichtlich der Auswahl ihrer Opfer scheren, sodass sympathische und lieb gewonnene Charaktere ebenso wenig sicher sind wie uninteressante Randfiguren. Es kann jeden erwischen. Gerade diese Schonungslosigkeit beschert dem anteilnehmenden Zuschauer die Erfahrung eines ungestümen Ritts auf der Gefühlsachterbahn, während dem sich locker heitere mit besonders spannungsintensive Momenten abwechseln. Und anders als man vielleicht erwarten würde wird der Bösewicht nicht erst im großen Finale, sondern bereits einige Zeit vorher enthüllt. Was aber nicht heißt, dass es ab diesem Punkt keine Geheimnisse mehr zu entschlüsseln gibt. Ganz im Gegenteil werden die Gejagten weiterhin von immer neuen Fragen gequält. Wie? Warum? Und vor allem: Wie lange noch?
Dem Konzept des Slashers entsprechend sind einige der Entscheidungen, welche die Figuren während der Schnitzeljagd treffen, nicht wirklich nachvollziehbar. Aber dummes Verhalten scheint für das Horrorgenre bis zu einem gewissen Grad ja irgendwie essentiell zu sein. Dementsprechend stört man sich nicht allzu sehr daran, zumal sich diese Momente tatsächlich in Grenzen halten. Auch was die Wirrungen und Wendungen der Geschichte und ihre letztendliche Auflösung angeht, zeichnet sich die Serie nicht unbedingt durch höchste Innovation und Originalität aus. Vorhersehbar sind sie aber ebenso wenig, das Rätselraten wird geschickt bis zum Schluss ausgedehnt. Der Zuschauer nimmt Anteil am Schicksal der größtenteils sympathischen und von einer gut gecasteten Darstellerriege verkörperten Figuren, das Ratespiel um den Killer und sein Motiv fesselt nahezu durchgehend. Die Serie unterhält. Und mehr verlangt man hier eigentlich auch nicht.
Kritiken zu
"HARPER'S ISLAND" fallen mitunter doch recht unterschiedlich aus, zumal man bei oberflächlicher Beschäftigung mit der Serie schnell gewaltigen Irrtümern aufliegen kann. Daher sollen an dieser Stelle zwei Dinge noch unbedingt betont werden. Erstens: die Serie wurde nicht wie viele andere vorzeitig beendet, sondern war tatsächlich von Anfang an auf die nun vorliegenden dreizehn Episoden ausgelegt. Daher gibt es auch keine abrupte Raffung der Handlung, kein sprunghaftes Erzählen, keine offenen Fragen. Die Geschichte ist vollständig und in sich stimmig.
Und zweitens: den Versuch eines Vergleiches mit "Lost" möge man sich bitte gänzlich ersparen. Nur weil beide Serien ihren Schauplatz auf einer Insel erhalten haben, ist die jüngere nicht gleich eine Nachahmung der älteren. Denn an dieser Stelle enden die Gemeinsamkeiten auch schon.
Harper's Island ist keine einsame, sondern eine sehr wohl bewohnte Insel, der Killer ist ein Mensch aus Fleisch und Blut, die Todesfälle sind ohne jegliche mystische oder übernatürliche Andeutung. Aufbau, Intention und Atmosphäre der zwei Serien zeigen ganz unterschiedliche Ausprägungen, und nur bei einer von beiden wussten die Verantwortlichen, an welchem Punkt es sinnvoll und notwendig war, zum Ende zu kommen...
Bewertung: 4 1/2 bzw. sehr gute 4 Sterne