Wehe Windchen, wehe gut,
nimm dem Kürtchen seinen Hut
und lass ihn danach jagen,
bis ich mein Haar geflochten,
wie es Frauen tragen!
Es waren einmal…
…zwei Könige, die Seite an Seite gegen die Heerscharen eines mächtigen Fürsten kämpften. Als dieser unterlag, erschlug er im Zorn seine Frau und erhob auch seine Hand gegen sein Baby. Bevor ihm aber das gleiche Schicksal ereilen konnte, nahm einer der Könige das Kleine an sich. Von einem Pfeil getroffen ward es ihm nun nicht mehr möglich, das Kind aufwachsen zu sehen. In einem letzten Atemzug aber versprach er dem befreundeten König Ewald, dass seine leibliche Tochter, Aurinia, Ewalds Sohn Ivo heiraten würde, wenn beide herangewachsen wären. Liesa, wie das Baby des fremden Fürsten genannt wurde, wuchs fortan wie Aurinias Schwester bei der verwitweten Königin auf. Jahre später machten sich beide auf in das Land des Prinzen Ivo, wo Aurinia mit ihm vermählt werden sollte. Doch Liesa, von Eifersucht und Gier getrieben, gelang es durch eine List, Aurinia zu erpressen und in ihre Rolle zu schlüpfen, die wiederum fortan als Gänsemagd leben sollte…
Das Märchen der Gebrüder Grimm ist so fantasievoll und komplex in Szene gesetzt, dass sich der Inhalt kaum in zwei Sätzen wiedergeben lässt. Die Verstrickungen und Intrigen nicht zu simpel, als dass sie langweilig und durchschaubar würden, und dennoch auch nicht zu kompliziert, um schwer
verständlich für Kinder zu sein. Die in der literarischen Vorlage gegebenen Grausamkeiten, durch die Gewalt als Lösung propagiert wird, wird in der filmischen Variante umgangen und anders geregelt. Der Film bleibt kindgerecht und dürfte aufgrund seiner für ein Märchen komplexen Story und der guten Umsetzung auch für Erwachsene unterhaltsam sein.
Angenehm fortschrittlich erscheinen hier auch die Gedanken über Liebe, die im Film geäußert werden. Zwar weicht die Handlung nicht vom genreüblichen Happy End ab, bei dem sich Prinz und Prinzessin das Ja-Wort geben, jedoch gibt es weitaus mehr Zeichen dafür, das beide füreinander bestimmt sind, als das bloße Versprechen, dass sich ihre Väter einst gaben. Prinz Ivo stellt sich zudem berechtigterweise die Frage, wie er sich denn auf die Vermählung mit Aurinia freuen könne, wenn er sie doch gar nicht kennt und somit noch gar nicht lieben kann. Dass er sich schlussendlich für das Mädchen entschiedet, obwohl er noch gar nicht weiß, dass sie die wahre Prinzessin ist, erhöht noch einmal den Grad an Romantik.
Problematisch kann allerdings die Figur der Liesa betrachtet werden. Dass sie als Abkömmling eines kriegerischen Fürsten, der seine eigene Frau erschlug, selbst die „böse Rolle“ spielt, ist geradezu anstößig und reduziert die Dramaturgie zu sehr auf ein simples Gut und Böse. Zugute halten kann man der Handlung aber, dass es zu Beginn einzelne Andeutungen gibt, warum gerade Liesa zu so einer Rotzgöre verkommen ist. In einer Familie aufgewachsen, die nicht ihre leibliche war, und schon als Kind neben der Prinzessin fortan benachteiligt gewesen zu sein, ließ sie vielleicht in ihrer Jugend rebellieren. Allerdings bleibt die Figur zu eindimensional „böse“, als dass man Sympathie für sie hegen könnte. Schön wäre es gewesen, wenn gerade in einer Märchenverfilmung der späten achtziger Jahre etwas mehr Vielschichtigkeit für die Figuren erarbeitet worden wäre. Nettes Plus für die Handlung ist die Einflechtung der „Magie“ in die Handlung, die nur zeitweise und ganz leicht eingestreut wird, nicht aber zu aufdringlich wirkt und zu sehr ins Fantastische abrutscht. Fantasievoll ist so zum Beispiel die Fähigkeit der Prinzessin Aurinia, mit ihrem langen, goldenen Haar den Wind zu rufen.
Das überzeugende Spiel der beiden Hauptdarstellerinnen aber und die an sich ausgefeilte, romantische Story ergeben zusammen mit kleinen Tricks der heranwachsenden Filmkunst (ein Becher füllt sich durch Zauberhand von selbst langsam mit Wein…) ein schönes Märchenerlebnis, wie man es aus früheren Werken der DEFA-Produktionen wie „
Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ und „
König Drosselbart“ vielleicht schon kennt.
~Weihnachtsskala~ (1 = niedrig / 10 = hoch)
Nostalgie: 7 (erinnert als eine der letzten DEFA-Märchenverfilmungen an die früheren herausragende Werke)
Familientauglichkeit: 7 (nichts für die ganz, ganz Kleinen; ansonsten aber für alle Generationen unterhaltsam)
Sprüche-Bonus: 8 (Zauberformeln hier und da zum Mitsprechen)
Besinnlichkeitsfaktor: 8 (romantisch, harmonisch und zum Schluss ein zuckriges Happy End)