Es war einmal… die Tatsache, dass wahre Märchen in der heutigen Zeit rar geworden sind. Umso überraschender war es, als im Jahr 2001 ausgerechnet ein grüner, ungestümer Oger namens
Shrek auf den weltweiten Kinoleinwänden mit einem amüsanten Animations-Abenteuer auftauchte, das sich wahrlich gewaschen hatte. Denn unter der kunterbunten Fassade des Films schlummerte schneewittchengleich die bissige Antwort des damals von Disney gefeuerten und mittlerweile zum Chef von
DreamWorks aufgestiegenen Jeffrey Katzenberg auf den nun ungeliebten Konkurrenten. Eine durchaus mutige, jedoch ohne rechtliche Folgen bleibende Angelegenheit, da die Kritik zumeist liebevoll und überaus witzig verpackt worden war. So wurden vor nunmehr fast einer Dekade die Weichen gestellt für eine Erfolgsgeschichte, die 2004 mit ihrer unvermeidlichen
Fortsetzung (zumindest vom finanziellen Erfolg her) ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte. Der 2007 nachgeschobene „
Shrek der Dritte“ ließ jedoch ernste Zweifel aufkommen, ob diesem Märchen, das einst so verheißungsvoll begann, mit dem jetzigen Kurs wohl ein versöhnliches Ende beschieden sein würde. Die Hoffnung war da, das Potential in jedem Fall vorh
anden. Doch spätestens nach der Ankündigung des finalen Kapitels für das Jahr 2010 schwebte die Frage, ob es nach Verklingen des Abspanns wohl für alle Parteien „Und sie lebten glücklich und zufrieden…“ heißen würde, mehr denn je wie ein unsichtbarer Hexenzauber über dem animierten Geschehen. Und passenderweise ist ein Zauber im Falle von
„FÜR IMMER SHREK“ Ausgangspunkt für eine ganze Reihe schicksalhafter Ereignisse. Aber immer der Reihe nach:
Des einen Freud, des anderen Leid. Was als Kindersegen begann, stürzt unseren Lieblings-Oger (Originalstimme: Mike Myers) immer mehr in eine Identitätskrise, denn aus dem ungestümen Unhold ist quasi über Nacht ein treusorgender Familienvater geworden. Vorbei die Zeiten, in denen die Menschen noch schreiend Reißaus nahmen vor dem vermeintlichen Untier, nun fahren ganze Touristenbusse vor das sumpfige Anwesen, um den prominenten Oger, den Retter von FAR FAR AWAY, zu sehen. Tagein, tagaus derselbe Trott. Hinzu gesellen sich die immer gleichen Sprüche seiner Frau Fiona (Cameron Diaz), die immer gleichen Witze des Esels (Eddie Murphy) – kurzum: Shrek hat sich sein jetziges Leben irgendwie anders vorgestellt und wünscht sich nichts sehnlicher, als nur einen Tag lang wieder, wie in den guten alten Zeiten, als Oger die Umgebung unsicher zu machen. Da kommt ihm das Angebot „Oger für einen Tag“, das ihm ein kleiner Giftzwerg namens Rumpelstilzchen (Walt Dohrn) unterbreitet, genau richtig. Einzige Bedingung: Shrek muss einen Tag seines Lebens herschenken, irgendeinen. Ohne nachzudenken, unterschreibt er den wasserdicht scheinenden Vertrag und begeht damit einen folgenschweren Fehler. Zwar darf er ab jetzt einen Tag lang seine unterdrückten Bedürfnisse befriedigen, doch zu welchem Preis? Das listige Rumpelstilzchen hat sich nämlich aus Shreks Leben gerade den Tag seiner Geburt ausgesucht. Folge: Endet der Tag, verschwindet auch Shrek für immer, da er – das berühmte Zeitparadoxon lässt grüßen – ja nie geboren wurde. Weder Fiona, Esel noch der Gestiefelte Kater (Antonio Banderas) erkennen ihn in dieser verqueren Parallelwelt, die dem Oger, während die Zeit immer knapper wird, auf erschreckende Weise vor Gesicht führt, was gewesen wäre, wenn...
Ach, wie gut, dass Shrek nicht weiß..., wie Rumpel mit richt'gem Namen heißt. Denn ansonsten wäre er vielleicht vorzeitig dahinter gekommen, dass man mit diesem undurchsichtigen Zeitgenossen keine Freundschaft, vor allem aber keine Verträge schließt, und hätte so den Film um seine recht interessante Ausgangslage gebracht. Die alternative Zeitlinie, in die uns die Geschichte aus der Feder von
Josh Klausner („Date Night – Gangster für eine Nacht“ [2010]) und
Darren Lemke („Jack the Giant Killer“ [2011]) entführt, ist nämlich deutlich geeigneter für die Fortsetzung jener etablierten Franchise, als etwa die lauwarme Suche nach einem Thronfolger aus dem vorherigen Teil, die der Figurenzeichnung wenig bis gar keine neuen Facetten abgewinnen konnte. Der Grund ist dabei ein recht simpler, denn eine fiktive Zeitlinie schafft nun einmal erzählerischen Spielraum für eine gänzlich vom Original verschiedene Biographie der Charaktere. Anstatt dem Familienleben Shreks und damit der Kontinuität zu folgen, drücken die Verantwortlichen recht schnell den Reset-Knopf, setzen die bisherige Trilogie auf Null und uns zusammen mit dem Titelhelden in unbekanntem Terrain aus. Was eigentlich war, ist nie geschehen, und aus dieser Idee bezieht das finale Kapitel um den grünen Riesen überwiegend seinen Reiz. Denn plötzlich muss sich Shrek fragen, was sein bisheriges Leben erst zu dem gemacht hat, was es bis zuletzt war, und bekennt sich somit fast beiläufig zu seinen (filmischen) Wurzeln. Beinahe ist man geneigt zu konstatieren, dass selbst ein Oger kurz vor dem Ende sentimental zu werden in der Lage ist. Auch wenn dies nur unmittelbare Folge einer Laune der digitalen Strippenzieher vor den Workstations sein sollte.
Tiefgründige Abhandlungen erwarten den Zuschauer aber trotz allem nicht, denn Shreks Leben ist nach wie vor ein komödiantisches Märchen und als solches einer gewissen Flächenhaftigkeit und einfachen Struktur verschrieben. So ist zwar schon recht schnell klar, wie der Hase gegen den Igel läuft, dem erhofften Spaß tut dies erfrischenderweise aber fast keinen Abbruch. Aufgrund des hypothetischen Storygerüsts knüpft
„FÜR IMMER SHREK“ dazu nämlich viel zu sehr an den superben ersten Teil an, ohne allerdings dessen Klasse oder Biss zu erreichen. Die Konzentration auf die im direkten Vergleich mit den Vorgängerfilmen deutlich ernstere Geschichte hat nämlich leider auch ihre kleinen Schattenseiten, nimmt sie dem ansonsten so treffsicheren Oger doch einiges an Wind aus dem gespannten Hemd.
Dreimal fe...scher Kater! Shreks späte Erkenntnis, dass das Leben ohne wahre Freunde entgegen aller Urinstinkte nur wenig lebenswert ist, kommt dem Rezensenten daher gerade zum richtigen Zeitpunkt, um als Überleitung zu dienen. Denn auch im vierten Abenteuer steht und fällt die Chose mit den zahlreichen Haupt- und Nebenfiguren, die das Shrek-Universum schon vor neun Jahren zu einem Ort haben werden lassen, an dem man gerne länger verweilt. Am überzeugendsten gestaltet sind nach wie vor die sonderbare Freundschaft des Duos Esel und Oger, das nach einigen Anlaufschwierigkeiten letztlich auch wieder für den ein oder anderen guten Dialogwitz verantwortlich zeichnet. Hier muss die deutsche Synchronisation mit ihren gewohnt überzeugenden Sprechern – etwa
Sascha Hehn als Shrek,
Esther Schweins als Fiona und
Benno Fürmann als Kater – keinesfalls hinter der englischen Originalfassung zurückstecken. Einzig
Bernhard Hoëckers Interpretation des hinterhältigen Rumpelstilzchens wirkt zunächst etwas befremdlich, sorgt jedoch im Endeffekt dafür, dass man diesen bewusst überzeichneten Charakter schlichtweg hassen
muss, womit alles auch irgendwie etwas Gutes hat. Genaugenommen passt die nur allzu deutliche Trennung von Gut und Böse perfekt ins klassische Märchenmotiv, dem der geneigte Leser während dieser Rezension nun schon öfters begegnet ist. Und das aus gutem Grund:
DreamWorks’ letzter, tricktechnisch perfekter Ausflug nach FAR FAR AWAY ist die bis dato vielleicht deutlichste Rückbesinnung eines Trickfilm-Sequels auf alte Tugenden, die sowohl in dem zurückliegenden ersten Teil, mit dem alles seinen Anfang nahm, als auch besonders in der Verhaftung von Märchen in unserer heutigen Zeit gesehen werden können.
Und die Moral von der Geschicht'? Mit dem finalen Kapitel
„FÜR IMMER SHREK“ nähert sich der Oger nach dem eher enttäuschenden Vorgänger wieder den Qualitäten der ersten beiden Teile an, wenngleich der alte Biss diesmal einem fast schon wehmütigen Grundton weichen musste. Ein ausnahmsweise verzeihbarer Zug, da es niemals einfach ist, das einstige Zugpferd in den wohlverdienten Ruhestand zu schicken. Doch letztendlich steht über allem die mehr als einleuchtende Erkenntnis, dass irgendwann einmal auch die anderen an der Reihe sind. Oder anders ausgedrückt: Besser ein (versöhnliches) Ende mit Shrek, als ein Shrek ohne Ende.
Zusatzbemerkung: Shreks viertes (und letztes) Abenteuer erscheint über Paramount Home Entertainment (VÖ: 25.11. 2010) sowohl für die DVD- als auch Blu-Ray-Auswertung mit jeweils einer Disc. Hierauf sind neben dem Hauptfilm (Dt. und Engl. in DD 5.1 mit zuschaltbaren Untertiteln) auch noch eine Handvoll Extras enthalten. So wirft unter anderem Spotlight auf Shrek
einen genaueren Blick auf den liebenswerten Oger, während ein Audiokommentar massig Informationen über die aufwendige Produktion bereithält. Außerdem finden sich noch entfernte Szenen und einige Trailer auf der Disc. Somit sollte genügend Material für einen lustig-grünen DVD-Abend zur Verfügung stehen.