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Nothing to Lose

Nothing to Lose

Ein Film von Pieter Kuijpers

Johan sitzt seit vielen Jahren in einer Therapieeinrichtung ein. Er tötete seinen Vater, nachdem dieser sich an ihm und seiner Schwester verging - doch Johan ist psychisch krank und bestreitet seine Schwester umgebracht zu haben, auch wenn das alle anderen sagen. Als Johan erfährt, dass er niemals aus dem Gefängnis kommen wird, sondern tatsächlich lebenslänglich in Sicherungsverwahrung bleiben muss, flüchtet er zusammen mit einem Komplizen aus der Einrichtungen. Sie nehmen die Psychiaterin als Gefangene, doch bald trennen sie sich, und Johan versucht sein Glück alleine. In Bedrängnis durch die Polizei nimmt er die 13-jährige Tessa als Geisel und macht sich mit ihr auf nach Belgien, wo seine Mutter Urlaub macht...

Der Originaltitel "TBS" beschreibt die niederländische Variante der Sicherungsverwahrung: wenn ich das richtig verstanden habe, bedeutet lebenslängliche Sicherungsverwahrung im holländischen Strafrecht tatsächlich auch "lebenslänglich". Sprich, Johan würde letztendlich im Gefängnis sterben und dürfte nie wieder auf freien Fuss. Dies ist für ihn völlig unverständlich, da er den Mord an seinem Vater bereut, und für den Tod seiner Schwester nichts kann - so denkt er. Und nur seine Mutter könne ihn entlasten. Da diese jedoch seit Jahren nicht mehr mit ihm spricht, bleibt ihm nur der Ausbruch um sie selbst auszusuchen. Am interessantesten hierbei ist sicherlich die Person Johan. Gequält von den Geistern der Vergangenheit versucht er n
ur seine Unschuld zu beweisen, wobei uns Zuschauern schon bald klar ist, dass Johan sicherlich nicht ganz so unschuldig ist, wie er selbst denkt. Ob Johan das Schicksal seiner Schwester nur verdrängt hat, oder er wirklich durch eine psychische Erkrankung eine falsche Erinnerung hat, wird leider nie ganz deutlich, eine klarere Ausarbeitung dieses Aspekts hätte ich mir durchaus gewünscht.

Allerdings überzeugt Johan respektive sein Darsteller Theo Maassen durch eine wirklich überragende Perfomance. Johan schwankt immer wieder zwischen sanftem Riesen und der tickenden Zeitbombe, die sich regelmäßigen in Gewaltausbrüchen und eiskaltem Kalkül entlädt. Weder der Zuschauer noch seine Geisel Tessa können sich sicher sein, ob er Tessa nicht jeden Moment etwas antun wird - genug kritische Momente gibt es auf jeden Fall. Tessa selbst ist ihrem Entführer gar nicht einmal so unähnlich. Johan, der von seinem Vater missbraucht wurde, gezeichnet von seiner Kindheit, sowohl psychisch als auch physisch, entführt dieses junge Mädchen, das nur auf Partys Röcke trägt, sich ansonsten in Hosen und ihr Gesicht hinter ihren Haaren versteckt, und ebenfalls einen toten Vater zu beklagen hat. Diese beiden Seelen nähern sich im Filmverlauf immer weiter an, wodurch der Film das berühmte Stockholm-Syndrom behutsam in die Geschichte einfügt, ohne es zum Hauptmotiv zu machen.

Das Tessa natürlich mit ihren 13 Jahren Johan sicherlich an seine jüngere Schwester erinnert und den (erdachten?) Beschützerinstinkt in ihm weckt ist irgendwo klar. Auch das er ihr nichts antun wird, wie er immer wieder beteuert, steht eine lange Zeit außer Frage. Doch als mehr Licht ins Dunkel von Johans Vergangenheit kommt, wird schnell deutlich, dass Tessa sich tatsächlich in höchster Gefahr befindet. Zugegebenermaßen stellt sich Tessa manchmal auch etwas dämlich an, so ist es befremdlich, wenn sie ihren Geiselnehmer im Minirock fragt, ob er sie attraktiv findet. die pädophilen Neigungen Johans, die manchmal anklingen, stören zwar überhaupt nicht, sondern passen zu seiner Person, jedoch hätte ich mir hier die Inszenierung etwas zurückhaltender gewünscht - ich denke gerade an eine bestimmte Gegenlichtaufnahme. Neben diesen beiden interessanten Charakteren mit quasi anbetungswürdigen Darstellern punktet der Film vor allem mit einer enorm spannenden Inszenierung. Dass Johan zwar zweimal in ähnliche Fallen tappt, und aus beiden auf ähnliche Weise entkommt, mag zwar etwas unrealistisch sein, spannend bleibt das Geschehen aber allemal. Gerade weil man oft ebensowenig über Johan und seine Taten weiß, wie Tessa selbst, kann man sich über ihn nie wirklich sicher sein.

Regisseur Pieter Kuijpers machte vor allem mit Godforsaken auf sich aufmerksam, Hauptdarsteller Theo Maassen spielte zuletzt auch in Paul Verhoevens Black Book. Die zum Drehzeitpunkt wohl 15-jährige Lisa Smit spielt hier in ihrem zweiten Langfilm, und man darf gespannt sein, was von ihr noch so kommt. Ein wahrlich großes Talent! Ihr erster Film war dann auch Die unheimliche Klassenfahrt, ebenfals von Kuijpers.

Der Film lief dieses Jahr auf dem Fantasy Film Fest, inzwischen ist er bei Ascot auf DVD erschienen. Die deutsche Synchro ist durchaus gut, auch das Bild kann überzeugen. An Extras gibt es auf der vorliegenden Rezensions-DVD leider nur ein paar Trailer, aber keinerlei filmbezogenen Bonus-Features. Kauf- und Leih-DVD scheinen inhaltsgleich zu sein. Das Cover suggeriert einen eher actionhaltigen Film, allerdings soll an dieser Stelle noch einmal gesagt werden, dass Nothing to Lose ein ruhiger, langsamer Film ist. Vielen Dank für das Rezensionsexemplar!

Fazit: Nothing to Lose ist ein richtig spannendes Stück Roadmovie-Thriller-Kino, mit zwei grandiosen Hauptdarstellern. Psychologisch glaubwürdig, menschlich interessant und fast durchgehend fesselnd, kann ich gerade selbst nicht sagen, warum ich ihm keine höhere Wertung gebe. So richtig ist der Funke dann doch wohl nicht übergesprungen. Trotzdem, 4 1/2 Sterne und Daumen nach oben. Empfehlung!

Eine Rezension von David Kugler
(03. Januar 2009)
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Daten zum Film
Nothing to Lose Niederlande 2008
(TBS)
Regie Pieter Kuijpers Drehbuch Paul Jan Nelissen, Pieter Kuijpers
Produktion Pupkin Film Kamera Bert Pot
Darsteller Theo Maassen, Lisa Smit, Flip Filz
Länge 86:26 FSK 16
Filmmusik Paleis van Boem
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