Für seine sexuelle Freizügigkeit ist Amerika wahrlich nicht bekannt. Das gilt im Besonderen auch für die 1930er Jahre, obwohl sich auch heute in dieser Hinsicht nicht viel geändert zu haben scheint. Lieber zwei Tote beim Duell, als zwei Unverheiratete beim Techtelmechtel. Diese Einstellung erfüllt auch das ganze kleinstädtische Leben im ruhigen Lynnfield irgendwo in den Vereinigten Staaten. Um ein bisschen „Zivilisation“ nach Lynnfield zu tragen, veröffentlicht der Zeitungsredakteur Waterbury einen kontroversen, nicht mit Erotik geizenden Roman in seiner Tageszeitung und hat prompt alle Moralwächter der Stadt am Hals, die ihn zwingen das Ganze wieder einzustellen. Was keiner weiß: Die verteufelte Autorin Carolin Adams ist niemand anderes als Theodora Lynn, angesehene Bürgerin von Lynnfield. Diese ist ob ihres Mutes ein wenig selbst von sich überrascht und peinlich darauf bedacht, dass ihr kleines Geheimnis nicht publik wird, ganz zum Leidwesen ihres Verlegers, der liebend gerne mehr von ihr veröffentlichen würde. Als Theodora auch noch unfreiwillig ihrem Illustrator Michael Grant über den Weg läuft, der keine Gelegenheit auslässt, mehr über sie herauszufinden, scheint das Auffliegen ihres Geheimnisses nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Der Skandal wäre perfekt…
Heute, mehr als 70 Jahre nach der Erstaufführung, mag dieser Film etwas befremdlich wirken, wird man doch hier noch mit einem intakten Frauen- und Männerbild konfrontiert. V
on den feministischen Bewegungen weitgehend unberührt, kann sich „Theodora wird wild“ noch ganz unbefangen dem heute so gerne in dem Begriff „Gender“ erfassten Thema widmen. Leicht und unbeschwert konnte hier noch eine heitere Geschlechterkomödie inszeniert werden, dem Publikum war es gestattet vergnügt zuzusehen und der Wiedererkennungswert der gezeigten Zwistigkeiten zwischen Männlein und Weiblein betrug nahezu 100%. Beinahe unhörbar waren die Stimmen, die sich ob des dargestellten Frauenbildes brüskierten und sich so ein unbekümmertes Filmvergnügen versagten.
Obwohl thematisch weiter ausholend, steht unzweifelhaft die Beziehung der beiden Hauptfiguren im Mittelpunkt der komödiantischen Handlung und macht „Theodora wird wild“ zu einer klassischen Screwball-Comedy, ganz im Stil von Frank Capras „Es geschah in einer Nacht“ („It Happened One Night“) mit Clarke Gable und Claudette Colbert in den Hauptrollen. So dürfen sich in diesem Film Irene Dunne und Melvyn Douglas gegenseitig necken, zur Weißglut bringen und das Leben des jeweils anderen gehörig auf den Kopf stellen. Und sie tun dies auf eine charmante, herrlich anzusehende Art und Weise, die einem das ein oder andere Schmunzeln zu entlocken vermag. Es ist wohl ein offenes Geheimnis, dass man sich von Zeit zu Zeit gerne einen Film anschaut, in dem sich Mann und Frau neckisch bekriegen und ein Klischee nach dem anderen ausnutzen. Obwohl man es ja irgendwie aus dem eigenen Leben kennt, schaut man es sich dennoch aus freien Stücken an, weil das ewige Hin und Her im Grunde so lächerlich ist, dass es wieder komisch wird. Schafft es der Film, die üblichen Gefahren des Kitsches zu um-, und über das oberflächliche Geplänkel hinauszugehen, dann steht einem amüsanten Filmvergnügen auf gehobenem Niveau nichts im Wege.
Dies ist der Punkt, an dem „Theodora wird wild“ die Verbindung von Liebeskomödie mit gesellschaftskritischer Satire schnörkellos gelingt, ohne den Zahnpfahl auspacken oder den Zeigefinger erheben zu müssen. Irene Dunnes Darstellung der sich von einem prüden Kleinstadtmädchen zu einer selbstbewussten Großstadtdame wandelnde Frau ist nicht nur hinreißend und einnehmend gespielt, sondern sprengt, zumindest auf der Leinwand, die gesellschaftlichen Zwänge der amerikanischen 1930er Jahre. Befreit von inneren Zweifeln und äußerem Erwartungsdruck, fängt Theodora an sich nun auch gehörig in Michaels Leben einzumischen, der sich – nicht ohne ein wenig Selbstgefälligkeit - letztendlich auch verantwortlich zeigt für die Änderungen in Theodoras Lebenseinstellung. Dass sein eigenes Leben ebenfalls durch gesellschaftliche Zwänge geprägt ist, möchte sich dieser ganz und gar nicht eingestehen und ist umso entsetzter, als Theodora ihm eröffnet, ihm zu einem neuen Leben verhelfen zu wollen. Das passt überhaupt nicht in das Bild, dass sich Michael von sich selbst gemacht hat, sieht er sich doch eher in der Rolle des unbekümmerten, weltmännischen Künstlers, an dem die Widrigkeiten des Lebens vorübergehen, muss aber nach und nach eingestehen, dass er seine eigenen Probleme nur verdrängt hat. So verwundert es gar nicht, wenn sich auch heute noch der ein oder andere in dieser Figur wieder fände. Auch Theodoras zwei Tanten („maiden aunts“), die stets mit Argusaugen über das sittliche Betragen ihrer Nichte gewacht haben, bleiben nicht verschont von Theodoras Einfluss und werden nun unverschuldet selbst zum Stadtgespräch. Was dazu führt, dass sich die Moralapostel par excellence – zwar gezwungenermaßen – mit ihrem eigenen unversöhnlichen Verhalten auseinandersetzen müssen und schlussendlich selbst entrüstet sind über die engstirnige und hinterwäldlerische Einstellung der Einwohnerschaft Lynnfields.
„Theodora wird wild“ ist keine sich selbst zu ernst nehmende Gesellschaftssatire, bleibt dafür auch viel zu sehr der komödiantischen Linie treu und ist deswegen schlussendlich umso sympathischer. Bezaubernd und mitreißend gespielt und mit einem gelegentlichen satirischen Augenzwinkern versetzt, kann der Film auch heute noch für unterhaltsame Kurzweil garantieren.