Durch die grenzenlosen Weiten des Alls schwebt die NOSTROMO. An Bord des riesigen Erzfrachters befindet sich eine siebenköpfige Crew, die, in künstlichen Tiefschlaf versetzt, die Ankunft auf der Erde erwartet. Plötzlich weckt MOTHER, das Computerprogramm des Schiffs, die Schlafenden. Sie hat ein Notrufsignal, das von einem unwirtlichen Planeten ausgeht, empfangen und veranlasst die Besatzung ein Bergungsteam zu bilden, um dem Hilferuf nachzugehen.
Die Operation geht schief: tief im Inneren eines bruchgelandeten Schiffes wird einer der männlichen Crewmitglieder von einem schleimigen, mit Tentakeln versehenen Wesen befallen, das sich im Gesicht des Ärmsten festkrallt und ihn zu ersticken droht. Rasch verschaffen die anderen das Opfer auf die Krankenstation der NOSTROMO, nicht ahnend, dass sie soeben ihr eigenes Schicksal besiegelt haben. Die ekelige Kreatur ist nämlich ein Überträger, der in seinen Wirt eine mordgierige Bestie eingepflanzt hat, die sich kurze Zeit später durch Bauchdecke und Brustkorb des Mannes frisst und Tod und Verderben über alle Menschen an Bord bringt. Die Jagdsaison ist eröffnet…
Im Mittelpunkt dieser einfach gestrickten Versteck-Spiel-Story steht Ellen Ripley, eine der stärksten Frauenfiguren der Filmgeschichte, die wir einzig und allein dem Regisseur Ridley Scott verdanken, welcher hartnäckig blieb und sich gegen seine Produzenten, die einen männlichen Helden wollten, durchsetzte.
Ripley ist alles andere
als eine eindimensionale Kampfamazone. Vielmehr verkörpert sie eine sanfte und sensible Frau, die lieber auf ihrem Heimatplaneten wäre, anstatt mit der Kreatur Katz und Maus zu spielen. In Extremsituationen vermag sie allerdings aufgrund ihrer inneren Stärke einen kühlen Kopf zu bewahren und wahrhaft über sich selbst hinauszuwachsen. Nie lässt sie zu, dass ihre Emotionen die Oberhand gewinnen, weswegen sie als einzige der Besatzung mit dem nackten Leben davonkommt.
Den krassen Gegenpol zu Ripley nimmt ihre weibliche Kollegin Lambert ein. Von Anfang an verfällt sie immer wieder in Hysterie und heftige Gefühlsausbrüche. In blinder Panik handelt sie vollkommen kopflos. Diese fatale Verhaltensweise kostet ihr schließlich das Leben: als das Wesen sich vor ihr aufrichtet, ist Lambert in ihrer Todesangst so paralysiert, dass sie schluchzend und bibbernd stehen bleibt, anstatt davonzurennen.
Es ist daher keine Überraschung, dass Lambert und Ripley sich ständig in die Haare kriegen. In der Original-Kinofassung mögen diese Konflikte noch etwas subtiler gezeichnet sein, im so genannten „Director’s Cut“ hingegen darf Lambert schon einmal Ripley eine schallende Ohrfeige verpassen, sie anbrüllen und als „Schlampe“ beschimpfen. (Anmerkung: die Bezeichnung „Director’s Cut“ ist insofern problematisch, weil Scott nachdrücklich betonte, dass die Fassung von '79 absolut seinen Vorstellungen entspräche. Die neue Version ist lediglich eine Marketingstrategie und ein um eine Minute kürzerer Re-Cut, d. h. gewisse Szenen wurden zwar ergänzt, einige aber auch durch neue ersetzt, sodass die Story manches Mal beschleunigt wurde und ein paar Sequenzen eine völlig neue Bedeutung erlangen).
Die Männer an Bord werden bis auf Ash stereotyp, verwildert, schwach oder einfältig bzw. dümmlich charakterisiert, und haben deshalb von Haus aus schlechte Ausgangschancen.
Aufgrund der minimalistischen Zeichnung der wenigen handelnden Akteure will es dem Publikum nicht schwer fallen, sich schnell in diese hineinzuversetzen, mit ihnen mitzufiebern und eigene Ängste, Vorstellungen und Gefühle auf die Filmfiguren zu projizieren .
Die schauspielerischen Leistungen sind – wie könnte es bei einer Besetzung mit solch namhaften Stars anders sein – der reinste Genuss. Vor allem Veronica Cartwright (mit der manchmal nervenden Lambert hat sie eindeutig die schlechteren Karten, jedoch im Gegensatz zu Sigourney Weaver die anspruchsvollere Rolle gezogen) spielt so glaubwürdig, dass sie für ihre Performance eigentlich für den Oscar hätte nominiert werden müssen.
Der boshafte Regisseur ging zudem zwecks Authentizität nicht zimperlich mit seinem Team um und versetzte ihm dann und wann böse Schocks, wie etwa in der ‚Geburtsszene’, in der Scott Cartwright ohne Vorwarnung Blut ins Gesicht spritzte (ihr spitzer Schreckensschrei im Film ist nicht gespielt).
Die Inszenierung selbst brilliert zunächst durch extreme Langsamkeit, einen zähen Erzählfluss und eine höchst beunruhigende Stille. Scott gelingt es immer wieder Sequenzen ins scheinbar Unendliche zu dehnen, sodass das Publikum voller Anspannung wie auf Nadeln sitzt und auf das große Erschrecken wartet, nur um allzu oft festzustellen, dass überhaupt nichts passiert ist und es von der genialen Regiearbeit ausgetrickst wurde.
Der Außerirdische wird erst zum Schluss in voller Größe gezeigt. Zuvor beschränkt sich Scott lediglich auf Schatten und Andeutungen, filmt immer nur einzelne Partien und Teile des Aliens, zeigt ihn jedoch nie als Ganzes, was, verbunden mit einer meisterhaften Schnitttechnik („Psycho“ [1960] lässt grüßen!), zur Folge hat, dass sich das Grauen schnell in unseren Köpfen einnistet und unsere Angstphantasien freien Lauf nehmen.
Eines der schlimmsten Elemente von „Alien“ ist die Untätigkeit und Passivität, zu welcher der Zuseher verdammt ist. Man möchte eine laute Warnung schreien, wenn sich der schwarze Schatten quälend langsam hinter Brett aufrichtet, will die eigenen Beine in die Hand nehmen, als Lambert unfähig ist sich zu bewegen, nur um kurz darauf zusammen mit der Heroine in blinder Panik durch die engen Schächte und verwinkelten Gänge der NOSTROMO gehetzt und getrieben zu werden.
Der gewaltige finale Count- und Showdown ist eine der größten Regieleistungen und Thrills der gesamten Filmära, der bis heute als unübertroffen gilt und es wohl auch bleiben wird. Lamberts qualvolle Todesschreie, die ohrenbetäubend durch das Lautsprechersystem des Frachters hallen, die verwackelte Handkamera, MOTHERS Warnungen, der Einsatz von Licht und Schatten, gleißender Helligkeit, schwärzester Finsternis, einer flackernden Beleuchtung, viel Dampf und Nebel und extrem penetranter Soundeffekte oberhalb der 100 Dezibel Grenze machen Ripleys letzte Minuten auf dem Schiff zu einem surrealen Inferno und Horrorszenario, das man – einmal gesehen – nie wieder vergessen wird.
!SPOILERWARNUNG!
Und wer nach der großen Explosion denkt, die Gefahr sei überstanden, der irrt gewaltig. Abermals gelingt es Scott wie keinem anderen, den Spannungsbogen innerhalb weniger Minuten wieder aufzunehmen und mit den ‚dunklen Seiten’ der Erotik zu spielen, wenn er Ripley mit einem Hauch von Höschen und einem transparenten, weißen Hemdlein (natürlich ohne BH darunter!) zur endgültigen Konfrontation mit dem phallusköpfigen Fremden und seiner penetrierenden ‚Zunge’ zwingt.
Sexuelle Interpretationen des Films liegen praktisch auf der Hand. Ein weibliches Computersystem mit Namen MOTHER („You Bitch!“, das Drehbuch steht ganz offensichtlich auf Dirty Talk), die Schlafstation tief im pulsierenden Bauch der NOSTROMO, ein gestrandetes Schiff, das aufgrund seiner organischen Beschaffenheit an eine überdimensionierte Uterus denken lässt, der Todeskuss des Monsters, und die Vergewaltigung sowie Schwängerung eines Mannes, der hierauf an den Folgen einer perversen Geburt stirbt, machen den Film für die Psychoanalyse zu einem kalorienhaltigen, fetten Fressen. Vielleicht ist es diese untergründige schwarze Lustphantasie, die uns von jener bizarren, düsteren Welt so sehr abstößt und gleichzeitig in ihren Bann schlägt!
Zudem ist für das Aussehen des Xenomorphs niemand anderer als der Schweizer Neo-Surrealist H. R. Giger, ein Künstler mit einer Schwäche für männliche und weibliche Geschlechtsorgane und äußerst sexualisierter Motive, verantwortlich. Darüber hinaus designte er einige der Sets, Kulissen und Backgrounds und wurde 1980 für seine Kreativität mit einem Oscar belohnt.
Überragende Modelle (die NOSTROMO sieht aufgrund ihrer Detailliertheit wesentlich überzeugender aus, als dies die Raumschiffe in „Krieg der Sterne“ [1977] tun), die weit ‚realitätsnaher’ als die besten digitalen Animationen scheinen, liebevolle Matte Paintings sowie kreative Sets verhelfen dem Space-Schocker zu jenem individuellen, faszinierenden Flair, den bedauerlicherweise nur Science-Fiction Produktionen der späten 70er und 80er Jahre aufweisen.
FAZIT: Wieder einmal bestätigt das British Cinema mit „Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“, dass guter atmosphärischer Horror nicht zwangsweise der (Alp)Traumfabrik entspringen muss. Durch jene perfekte Mischung bzw. Gewichtung von Spannung, FX und psychischer Gewalt gestaltet sich das Ansehen dieses Meilensteins, der das ganze Genre reformierte und neu definierte, auch beim zehnten Mal Ansehen immer wieder spannend und intensiv. Jeder Science-Fiction- bzw. Horrorfreak sollte das Filmchen zwecks Allgemeinbildung gesehen haben, beeinflusste es doch das Kino der letzten 20 Jahre nachhaltig und beeindruckt selbst Generationen, die zum Zeitpunkt seiner Premiere noch lange nicht das Licht der Welt erblickt hatten, mit seiner einzigartigen Umsetzung.