Filmkritiken - von Independent bis Hollywood
 
2008 Filmkritiken | 10468 Personen | 3323 Kommentare  
   
Bitte wählen Sie

Email

Passwort


Passwort vergessen

> Neu anmelden

Auch interessant



Je tÂŽaime moi non plus
von Serge Gainsbourg




Meist gelesen¹

1. 
Cannibal Holocaust (Nackt und Zerfleischt)  

2. 
Martyrs  

3. 
Auf der Alm da gibt's koa SĂŒnd  

4. 
Troll Hunter  

5. 
Antikörper  

6. 
Das ZeitrĂ€tsel  

7. 
Supernatural  

8. 
Harry Potter und der Orden des Phönix  

9. 
Andromeda - Tödlicher Staub aus dem All  

10. 
Midnighters  
¹ gilt für den aktuellen Monat

  FILMSUCHE
  Sie sind hier: Filmkritiken > Thomas McCarthy > Ein Sommer in New York - The Visitor
Ein Sommer in New York - The Visitor RSS 1.0


Ein Sommer in New York - The Visitor

Ein Sommer in New York - The Visitor

Ein Film von Thomas McCarthy

Es gibt sie also doch noch: leisere Filme, im weitesten Sinne Dramen mit Humor, Tragikomödien die sich ernsten Themen annehmen aber dabei niemals den Witz vergessen. Und die vor allem auszeichnet, dass sie mir tatsĂ€chlich gefallen. Eigentlich sind nĂ€mlich weder Dramen noch Komödien so richtig mein Fall, Ausnahmen wie der Jahrtausendfilm Blues Brothers etwa bestĂ€tigen diese Regel. Denn hĂ€ufig trifft entweder der Humor von vielen Komödien ĂŒberhaupt nicht meinen Nerv (siehe Scoop - Der KnĂŒller), oder aber das Drama ist wirklich sehr bemĂŒht und auf die reine Tragik seiner Geschichte aus. Und dann kommt da heimlich still und leise ein Filme wie „Ein Sommer in New York – The Visitor“ daher und schafft es tatsĂ€chlich, auf Anhieb zu begeistern! Deswegen auch hier schon wieder ein herzliches Dankeschön fĂŒr das Rezensionsexemplar.

Walter Vale ist mit seinem Leben höchst unzufrieden. Sein einziger Sohn lebt in London, seine Frau verstarb vor einigen Jahren. Als Wirtschaftsprofessor am örtlichen College gibt er genau ein Seminar und schreibt seit ewiger Zeit schon an seinem vierten Buch, ohne damit voranzukommen. Auch seinen Wunsch Klavier zu lernen kann er nicht wirklich verfolgen, da er dafĂŒr einfach zu untalentiert ist und eine Klavierlehrerin nach der anderen verschleißt. Als er sich schließlich nicht davor drĂŒcken kann, einen Kongress in New York zu besuchen um dort einen Aufsatz
vorzulesen – bei dem er offiziell nur Co-Autor war aber inoffiziell nur seinen Namen hergeben hat – nutzt er die Chance und besucht seine Wohnung im Big Apple, die er schon lange Zeit nicht mehr betreten hat. Das junge Paar, ein Syrer und eine Senegalesin, die dort inzwischen wohnen (und an einen BetrĂŒger Miete zahlen), halten ihn natĂŒrlich fĂŒr einen Einbrecher! Nach kurzem Konflikt entwickelt sich eine zarte Freundschaft zwischen dem Akademiker und dem jungen Tarek...

An dieser Stelle gibt es nun eine kleine Spoilerwarnung: Tarek hat ein „dunkles“ Geheimnis, das zwar in so ziemlich allen Kritiken verraten wurde, aber ich fĂŒge halt trotzdem die obligatorische Warnung ein.

Das dramatische Element ist nĂ€mlich, dass Tarek sich illegal in den Vereinigten Staaten befindet. Ihm droht die Abschiebung nach Syrien, sollte er beispielsweise von der New Yorker Polizei verhaftet werden. Seine senegalesische Freundin sowie seine Mutter, die in Michigan lebt, sind beide legal dort, nur ihm droht dieses Schicksal; dabei will er laut eigener Aussage nur seine Musik machen und in Frieden leben. Denn Heimat ist eines der Themen des Films: alle „AuslĂ€nder“ sagen, dass sie sich in ihren HeimatlĂ€ndern (also vor allem Syrien und dem Senegal) nicht heimisch fĂŒhlen. Zu gut gefĂ€llt es ihnen in New York und der damit verbundenen Freiheit. Allerdings beweist hier der Film bereits eine StĂ€rke: er kitscht nicht vor sich hin und verklĂ€rt den Big Apple zum Schmelztiegel der Kulturen und der ErfĂŒllungswerkstatt aller TrĂ€ume. Denn ebenso sagen sie, dass sie auch New York nicht als Heimat sehen – impliziert wird das Konstrukt der WeltbĂŒrger, Menschen unterschiedlichster Nationen, die zusammen leben können, ohne eine Heimat im klassischen Sinn zu haben. Heimat ist die Gemeinschaft mit anderen Menschen, Heimat ist die Welt an sich.

Die Komik bezieht der Film dafĂŒr vor allem aus der Figur des Professor Vale sowie in seinem Zusammenspiel mit Tarek. Der verkopfte Akademiker, ein „SozialkrĂŒppel“ erster GĂŒte, wird grandios gespielt von Richard Jenkins. Er agiert im Job völlig lustlos und versucht in der Musik seinen Frieden zu finden – scheitert jedoch daran. Erst als Tarek ihm die Trommel erlernt, blĂŒht Vale so richtig auf. Fantastisch gelingt Jenkins die Transition vom steifen Wirtschaftsexperten hin zu einem fröhlichen Lebemann, der bei Dienstbesprechungen dann auch mal mit den Fingern auf dem Tisch vor sich hintrommelt oder sich im Central Park zu seiner kunterbunten Truppe von anderen Trommlern gesellt – behĂ€lt dabei jedoch immer sein Outfit bei, was zu manchem skurrilen Bild fĂŒhrt, denn so richtig geht er nur selten aus sich raus. NatĂŒrlich ist es dann so, dass gerade am „Höhepunkt“ ihrer Freundschaft das Schicksal zuschlĂ€gt und Tarek verhaftet wird. Dies geschieht in der grauen U-Bahn was im krassen Kontrast zum unmittelbar vorhergehenden Central Park steht, in dem die beiden wenige Minuten zuvor noch im sonnendurchfluteten GrĂŒnen mit vielen anderen Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen gemeinsam Musik machten – ein unglaublich lebensbejahende Szene.

Überhaupt ist der Film Ă€ußerst geschickt geschrieben. Sicherlich, es wĂ€re ein leichtes gewesen, Vale und Tarek sich „einfach so“ annĂ€hern zu lassen. Doch das Script von Regisseur und Autor Thomas McCarthy geht den Umweg ĂŒber ein gemeinsames Interesse: die Musik wird als Katalysator genommen, um diese völlig unterschiedlichen Menschen zueinander zu fĂŒhren. Hier zeigt der Film auch – um mal etwas munter rumzuinterpretieren – dass Integration immer von beiden Seiten ausgeht. Tarek lebt friedlich in diesem fremden Land, er passt sich an, aber auch Vale als Amerikaner passt sich in den musischen Szenen, den Szenen des Zusammenlebens, an. Er muss, um die Trommel spielen zu können, nĂ€mlich seinen gelernten 4/4 Takt ablegen und durch einen afrikanischen Drittel-Takt ersetzen. Denn wenn erstmal beide Seiten ein wenig aufeinander zugehen, klappt das Zusammenleben und man entdeckt bei aller Unterschiedlichkeiten auch Gemeinsamkeiten, beispielsweise in der Musik als Weltsprache (dass der Film die Musik an sich zelebriert ist offensichtlich).

So zeigt der Film auch, wie drei Generationen die Ă€ußerlich unterschiedlicher kaum sein könnten – Vale als Ă€lterer, weißer und gebildeter Mann, Zainab (die senegalesische Freundin Tareks) als junge Schwarze sowie Mouna (Tareks Mutter) als Frau mittleren Alters arabischer Herkunft – gemeinsam an einem Strang ziehen können und dabei bildlich von rechts nach links laufen, gegen den Strom, gegen das gesellschaftliche Denken, das natĂŒrlich auch durch die Ereignisse des 11. September beeinflusst sind, was der Film aber nur am Rande thematisiert.

NatĂŒrlich kann man den Film auch kritisieren, was ihn letzten Endes den sechsten Stern dann auch kostet. So benutzt er zwar die Asyl- und Einwanderungsproblematik als AufhĂ€nger fĂŒr seine Geschichte, baut diese aber kaum adĂ€quat aus beziehungsweise beleuchtet die wirkliche Problematik jenseits des persönlichen Schicksals kaum, obwohl er sich immer wieder dazu hinreißen lĂ€sst, z.B. einzelne Schilder wie etwa „Know your Rights“ in auffĂ€lliger Großaufnahme zu zeigen. Auch stellt sich die Frage, ob die zart angedeutete Liebesgeschichte gegen Ende des Films unbedingt nötig gewesen ist, diese ist aber gleichzeitig wieder so wenig expliziert, dass sie kaum stört.

Bleibt nur eine Frage: wer ist eigentlich wirklich mit dem titelgebenden Visitor gemeint?

Eine Rezension von David Kugler
(13. August 2010)
    Ein Sommer in New York - The Visitor bei ebay.de ersteigern


Kommentar schreiben | Einem Freund empfehlen

Daten zum Film
Ein Sommer in New York - The Visitor USA 2007
(The Visitor)
Regie Thomas McCarthy Drehbuch Thomas McCarthy
Produktion Participant Productions Kamera Oliver Bokelberg
Darsteller Richard Jenkins, Haaz Sleiman, Danai Gurira, Hiam Abbass
Länge ca. 100 Minuten FSK 0
Filmmusik Jan A.P. Kaczmarek
Kommentare zu dieser Kritik

Kommentar schreiben | Einem Freund empfehlen

 

Impressum