In seinem neuen Film „Splice“ beackert der Regisseur Vincenzo Natali („
Cube“) im Prinzip dasselbe Thema, dem sich 1993 bereits Steven Spielberg mit seinem Blockbuster „
Jurassic Park“ (und davor selbstverständlich schon Mary Shelley mit ihrem Roman
Frankenstein) gewidmet hat:
Dem Menschen als gottähnlichen Schöpfer, dem sein Streben nach Macht letztendlich zum Verhängnis wird.
Was bei dem Hollywood-Giganten allerdings in einem effektvollen Kinospektakel mit kritischem Anstrich gemündet ist, entwickelt sich unter den Fittichen des kanadischen Independent-Filmers zu einem reichlich schrägen Mix aus Science-Fiction-Thriller und Monstermovie, der vor allem Anhängern der früheren Werke von Natalis Landsmann David Cronenberg zusagen dürfte.
Produziert von Guillermo del Toro („
Pans Labyrinth“) und vermarktet über Joel Silvers
Dark Castle-Genreschmiede („
Ghost Ship“, „
Orphan - Das Waisenkind“), könnte „Splice“ dank größerem Release vielen Kinogängern, die einen schweißtreibenden Schocker erwarten, ziemlich sauer aufstoßen. Denn auch wenn der Kultregisseur sein eigenwilliges Künstlertemperament nach dem unverdaulichen Klamauk „Nothing“ (2003) zugunsten einer (nahezu) klassischen Geschichtenerzählung zurückgeschraubt hat, geht er mit seinem aktuellen Output doch einen ganzen Schritt weiter, den sich wohl im heutigen Kino die Wenigsten noch trauen würden.
An dieser Stelle sei kurz angemerkt, dass Natali bekanntgegeben hat, dass er wohlmöglich vor dem Release noch Änderungen an „Splice“ vornehmen werde. Diese Rezension basiert auf der Filmversion, welche im Rahmen der diesjährigen
Fantasy-Filmfest Nights vorgeführt worden ist – ob nun also im Anschluss noch einige Szenen der Schere zum Opfer gefallen oder umgestellt worden sind, ist momentan nicht bekannt.
Das Wissenschaftler-Paar Elsa (Sarah Polley, „
Dawn of the Dead“) und Clive (Oscar-Preisträger Adrien Brody, „Der Pianist“) arbeitet in der Forschungseinrichtung N.E.R.D. (ja, der Name ist natürlich
auch als Scherz gemeint) an genetisch gekreuzten Tiermodellen.
Als der gewünschte Durchbruch auf sich warten lässt und ihr Brötchengeber, ein Pharmakonzern, droht, dem gesamten Projekt den Stecker rauszuziehen, trifft Elsa eine folgenschwere Entscheidung: Sie kreuzt tierisches und menschliches Erbgut und erschafft so eine Kreatur, die zunächst durch ihr relativ putziges Erscheinen Sympathiepunkte erntet, aber sich im Verlauf als schwer einzuschätzendes Zwitter-Wesen entpuppt.
Clive, der von vornherein gegen das Experiment war und den Dren getauften Hybriden zunächst sogar töten wollte, hilft seiner Arbeits- und Lebensgefährtin widerwillig dabei, ihrem „Baby“ ein eigenes Reich in einer abgelegenen Scheune einzurichten - bis etwas wahrlich Ungeheuerliches geschieht, mit dem wohl keiner der Beiden zu Beginn gerechnet hätte…
Ohne nun zu viel spoilern zu wollen, wird bei „Splice“ der Mensch letztlich mit derselben Konsequenz wie bereits in „
Jurassic Park“ konfrontiert: Das Leben findet seinen Weg. Irgendwie.
Wer sich nun aber auf eine trockene, philosophische Plauderstunde mit viel fachlichem
Blablabla eingestellt hat, sieht sich getäuscht. Ebenso solche Zuschauer, die von Vincenzo Natali einen typischen
Mindfuck-Streifen oder gar Actionszenarien erwartet haben.
Keine Frage, „Splice“ ist weder reines Popcorn-Kino noch Studentenfutter für Intellektuelle…und doch ist er auf eigensinnige Art beides.
Dafür eine optimale Zielgruppe zu finden, dürfte sich als schwierig herausstellen – auch wenn man der interessanten und gut umgesetzten Story den Erfolg an den Kinokassen gönnen würde.
Zumindest in den Augen des Rezensenten hat Natali nach seinem überschätzten „
Cube“ (1997), dem halbgaren „
Cypher“ (2002) und dem angesprochenen „Nothing“ nun sein bisher bestes, weil griffigstes, Werk vorgelegt, das zudem mit sympathischen Figuren sowie unpeinlichen Computertricks aufwarten kann.
Dass Adrien Brody offensichtlich Gefallen bei der Arbeit im fantastischen Genre gefunden hat, lässt sich neben „Splice“ auch an seiner Darstellung in Dario Argentos Horrorparodie „
Giallo“ (2009) und seinem Mitwirken im neuesten „
Predators“-Projekt (2010) festmachen. Hier verkörpert der renomierte Mime einen zunächst völlig rationalen Mann, der ebenso wie seine von Sarah Polley gespielte Filmpartnerin im Verlauf einige charakterliche Veränderungen durchmacht.
Komplex an dem Werk ist dann auch weniger die Story an sich, sondern eher die zwei Hauptprotagonisten und wie sie sich entwickeln, welche Entscheidungen sie treffen.
Auch wenn „Splice“ zuweilen groteske Züge annimmt und man sich dann in ein Cronenberg´sches Paralleluniversum versetzt fühlt, sind es wieder die Charaktere, die einen menschlichen Bezug zu dem monströsen Treiben auf der Leinwand schaffen.
Wenn man jetzt eine Vorab-Prognose wagen darf, dann wird die Mehrzahl der Besucher, die durch den neuesten Trailer angelockt worden sind, den Film spätestens ab der zweiten Hälfte als
völlig krank oder
durchgeknallt abtun.
Und recht haben sie: „Splice“ ist entfesseltes, individuelles Fantasykino mit provakanter Pointe, das trotzdem angenehm zugänglich umgesetzt ist.
Wer lieber aufgewärmte Kost mag, kann sich ja gerne alternativ durch das „A Nightmare On Elmstreet“-Remake quälen…