Die hochschwangere Sarah (Alysson Paradis) hat erst vor kurzer Zeit ihren Ehemann während eines schrecklichen Autounfalls verloren, bei dem nur sie und ihr ungeborenes Kind mit dem Leben davongekommen sind.
Am folgenden Tag soll laut Kalender die Geburt sein, und so will die junge Fotografin, die das furchtbare Ereignis noch nicht richtig verarbeitet hat, den Abend allein zuhause verbringen. Dort angekommen, klingelt es wenig später an der Tür. Bei einem Blick durch den Spion kann Sarah nicht genau erkennen, um wen es sich bei dem Gast handelt, und auf die Nachfrage antwortet ihr eine Frauenstimme, die sie bittet, sie einmal für ein Telefonat in das Haus zu lassen. Da die werdene Mutter der Unbekannten nicht recht traut, verweist sie sie auf ein anderes Haus in der Nachbarschaft, doch dann nennt die Frau vor der Tür auf einmal Sarah beim Namen und bittet erneut um Einlass: Sie werde dann wissen, mit wem sie es zu tun habe.
Nun droht Sarah dem penetranten nächtlichen Besuch mit einem Anruf bei der Polizei, die sie dann auch verständigt, als die ganz in schwarz gekleidete Frau (Béatrice Dalle, „Betty Blue - 37.2 Grad am Morgen“) plötzlich vor ihrer Verandatür erscheint, sie unheimlich mustert und schließlich versucht, die Scheibe einzuschlagen. Kurze Zeit darauf treffen die Gesetzeshüter ein und durchsuchen das Haus und Grundstück
nach der Unbekannten, doch anscheinend hat sich diese vorsichtshalber aus dem Staub gemacht.
Anscheinend. Denn als die Polizisten zunächst wieder das Weite suchen und Sarah sich schlafen legt, taucht die Fremde an ihrem Bett auf und versucht ihr mit einer Schere den Bauch aufzuschneiden. Die Schwangere erwacht noch frühzeitig und kann sich trotz Verletzungen im Bad in Sicherheit bringen. Offensichtlich hat es die Psychopathin auf Sarahs Baby abgesehen, und die angebrochene Nacht wird sich zu einem unfassbaren Grauen entwickeln…
Mit „Inside“, über den man im Vorfeld nicht mehr als die knappe Inhaltsangabe wissen sollte, haben die beiden französischen Regie-Newcomer Alexandre Bustillo und Julien Maury ein wahres
Monster von Film vorgelegt, das ohne Zweifel zu den besten Horrorfilmen bzw. Thrillern dieser Dekade gezählt werden kann. Solch ein erbarmungslos blutrünstiges und gleichzeitig inhaltlich subtiles Werk haben die Zuschauer wahrscheinlich nur selten erlebt. Obwohl „À l'intérieur“, so der Originaltitel, gerade erst im Heimatland und auf einigen Festivals aufgeführt worden ist, so lässt sich bereits von einem Meisterwerk sprechen, das gerade unter Genre-Fans bestimmt auch in den nächsten Jahren noch ein Gesprächsthema sein wird.
Dass man aus Frankreich mit interessanten Horrorproduktionen rechnen kann, hat bereits das Regie-Duo David Moreau und Xavier Palud mit seinem angsteinflößenden Terror-Streifen „
Them“ (2006) und vor allem das inzwischen in die USA ausgewanderte nationale Aushängeschild Alexandre Aja mit dem intensiven Blutbad „
High Tension“ (2003) bewiesen, aber der aktuelle „Inside“ toppt sogar diese Vorgänger noch bei weitem – sowohl was die Dramaturgie, als auch den Gore-Gehalt angeht.
Für viele Filmfans könnte das Werk allerdings ein größeres Problem darstellen:
Da es sich auf der einen Seite um einen unglaublich spannenden Psychothriller mit tollen schauspielerischen Leistungen handelt und andererseits ein Splatter-Spektakel abgebrannt wird, das seinesgleichen sucht, sitzt „Inside“ für einige Zuschauer wohl zu sehr zwischen den Stühlen. So mancher Freund anspruchsvoller Suspense-Streifen wird sich mit Sicherheit angewidert vom Bildschirm abwenden, wenn der Teppichboden von Sarahs Haus langsam mit Blut getränkt und die Wände mit dem roten Lebenssaft bespritzt werden - dafür könnte stumpfen
Gore-Hounds trotz vielen knüppelharten Szenen die ansonsten zurückhaltende Geschichte ein leichtes Gähnen entlocken.
Wer allerdings gerne härtere Horrorkost goutiert und sich aber auch von künstlerisch hochwertigen Filmen angesprochen fühlt, kommt an dem neuen Rundumschlag aus Frankreich nicht vorbei.
Filmische Vergleiche zu „Inside“ zu finden fällt recht schwer, da das Werk letztlich als absolut eigenständig bezeichnet werden muss. Leichte Assoziationen könnte der Kenner an John Carpenters „
Halloween - Die Nacht des Grauens“ (1978) haben, da die von Béatrice Dalle gespielte Unbekannte mit ihrer mysteriösen Aura und ihrem Auftreten als fast unbesiegbar scheinender Todesengel durchaus an die Killermaschine Michael Myers erinnert. Außerdem kommen einem vielleicht noch Takashi Miikes „
Audition“ (1999) und zuletzt David Slades „
Hard Candy“ (2005) in den Sinn, was die Eigenschaft des Films als psychisches Folterspiel angeht.
Wie schon erwähnt ist den Regisseuren hier ein nahezu perfektes Werk gelungen, das auch hartgesottene Zuschauer an ihre Grenzen bringen wird, wobei Schwangeren aufgrund der Thematik ausdrücklich vor dem Ansehen der – das muss man schon dazu sagen – genialen
Terror-Attacke abzuraten ist!
Da „Inside“ nur auf recht engem Raum spielt, überträgt sich das klaustrophobische und auswegslose Gefühl Sarahs sofort auf den Betrachter, und die Tatsache dass die Film-Heldin schwanger ist, gibt diesem ein zusätzliches mulmiges Gefühl in der Magengegend.
Und auch über einen nicht zu unterschätzenden Grusel-Faktor verfügt der Film, der sich vor allem zu Beginn bemerkbar macht, wenn die mysteriöse Fremde um das Haus schleicht und auf einmal Sarah hinter der Scheibe gegenübersteht –
Gänsehaut-Alarm pur!
Die Stimmung von „Inside“ ist in düsteren Farben treffend eingefangen und die Inszenierung an sich ist zwar sehr modern geraten, aber dennoch nicht durch zu viele momentan angesagte Schnitt-Spielereien verwässert worden, was dem Film einen zeitlosen Stil verschafft. Wenn in einigen Jahren über die Trendprodukte gelacht wird, wird „Inside“ noch immer aktuell wirken.
Ein Umstand, der natürlich einzig Deutschland betrifft, stimmt allerdings mal wieder traurig:
Die „Senator-Film“-Unterabteilung „Autobahn“ – spezialisiert auf Genre-Produktionen wie „
Brick“ oder „
Hard Candy“ – hat sich bereits 2007 die Rechte an dem Werk gesichert, und hat es noch in jenem November ungeschnitten auf die hiesigen Leinwände bringen wollen. Aufgrund des unbestritten hohen Gehalts an Gewaltszenen, hat die FSK dem Verleiher in dieser Hinsicht einen Strich durch die Rechnung gemacht. Da das ambitionierte Label die Zuschauer nicht mit - in diesem Fall wirklich - störenden Kürzungen enttäuschen wollte, hat es den Kinorelease zurückgezogen und eine baldige Vollversion auf DVD angekündigt.
Leider ist auch dieser Versuch fehlgeschlagen, denn trotz „SPIO/JK“-Siegel werden einige Szenen von „Inside“ vor dem Erscheinen der Schere zum Opfer gefallen sein. Diese Rezension ist nach der Sichtung der französischen Originalversion entstanden, und es kann aufgrund der momentanen Lage hierzulande davon ausgegangen werden, dass einige grobe Schnitte den Filmgenuss nachhaltig trüben werden.
Der einzige Weg, dieses moderne Meisterwerk des Horrors als Ganzes zu genießen, bleibt wohl wieder der Import…