„Hope is a good thing, maybe the best of things, and no good thing ever dies.”
Nicht immer läuft das Leben in geregelten Bahnen. Und wenn es das mitunter doch tut, kann zu striktes Reglement in besonders drastischen Fällen dazu führen, dass einem das Dasein auf der Erde wie ein übergroßes Gefängnis mit Freilauf vorkommt, in dem man lebenslang verweilen muss, ohne auch nur eine Aussicht auf Begnadigung. Glücklicherweise ist dieses Gefühl niemals der Regelfall. Sicher ist einzig, dass es – wie so vieles – ein Äquivalent besitzt, welches die Ausgangslogik beibehält, diese jedoch genau auf die entgegengesetzte Situation anwendet: wie nämlich ist der Fall gelagert, wenn das Gefängnis
wahrhaftig in dein Leben tritt, es fortan bestimmt?
Eben jenes widerfährt Bankmanager Andy Dufresne (Tim Robbins, "
High Fidelity" [2000]), als ein Indizienprozess sein Leben, wie er es kannte, gänzlich verändert. Die vernichtende Anklage: Doppelmord an seiner Frau und deren Liebhaber. Obwohl Dufresne immer aufs Neue seine Unschuld beteuert, wird er schlussendlich für schuldig befunden und zu zweimal lebenslanger Haft im berüchtigten Gefängnis von
Shawshank in Maine verurteilt. So findet sich Andy alsbald hinter schweren Mauern in einem streng regulierten, auf Buße und Resozialisierung abzielenden Dasein wieder, dessen ewig gleicher, grauer Alltag nur von bru
talen Begegnungen mit finsteren Mithäftlingen und tyrannischen Wärtern durchbrochen wird. Doch zum Erstaunen seiner Umgebung verfällt Andy weder der Melancholie noch der Barbarei, die gegensätzlich und doch miteinander verbunden das Gefängnisleben zu bestimmen scheinen. Vielmehr trägt seine Art und berufliche Kenntnis nach anfänglichen Hürden dazu bei, das angespannte Verhältnis zwischen ihm, den Mithäftlingen und auch den strengen Wärtern etwas zu dämpfen, als er damit beginnt, für das sonst so herrische Gefängnispersonal als Steuer- und Anlageberater zu fungieren.
Während Andy sich so ein Stückchen seiner alten Realität zurückholt, bewahrt er sich gleichzeitig sein kostbarstes Gut: Hoffnung. Eine Hoffnung, die so selbstverständlich, so zuversichtlich erscheint, dass auch Leidensgenosse Red (Morgan Freeman, "
Batman Begins" [2005]), der mit der Zeit zu Andys engstem Freund und wichtigstem Bezugspunkt in
Shawshank geworden ist, allmählich beginnt, sein eigenes Dasein neu zu überdenken. Doch aus Monaten des Überlegens werden Jahre, aus Jahren des Nachdenkens schließlich Jahrzehnte – Momente, in denen den Gefangenen die Zeit buchstäblich durch die älter werdenden Finger rinnt wie Andy der Staub der Steine, die er liebevoll in seiner „Freizeit“ zu kleinen Figuren umarbeitet. Während sicher ist, dass einige dieser Figuren beizeiten ein Schachspiel für seinen Freund Red zieren sollen, ist die Andy zugedachte Rolle in dem grausamen Spiel, das mit der Verurteilung und der Übersendung nach
Shawshank seinen Anfang nahm und einen gänzlich neuen Lebensabschnitt für den ehemaligen Bankmanager formte, jedoch noch nicht endgültig bestimmt...
„I guess it comes down to a simple choice, really. Get busy living or get busy dying.”
Hoffnung und Hoffnungslosigkeit bilden die beiden Grundpfeiler, das Fundament von
Stephen Kings Gefangenendrama
"DIE VERURTEILTEN" (
"The Shawshank Redemption"), das eine weitere Ausnahme im ansonsten so Horror-lastig anmutenden Gesamtwerk des Schriftstellers darstellt. Hier zeigt sich, dass King gerade mit seinen Figuren und der Vermittlung von großen menschlichen Werten zu faszinieren vermag. Wie schon bei "
Stand By Me", jener Novelle, die Rob Reiner 1986 auf der Leinwand zum Leben erweckte, oder später in "The Green Mile", 1999 ebenfalls von
Frank Darabont ("
Der Nebel" [2007]) verfilmt, konzentriert er sich dabei eher auf die inneren Dämonen, mit denen seine Figuren zu kämpfen haben. Genaugenommen sind selbst seine reinen Horror-Geschichten von diesem Grundkonzept nicht ausgenommen, doch zeigen sich die äußeren Manifestationen dieser Dämonen meist sehr viel grausamer, brutaler, phantastischer. Wie die hier adaptierte Novelle verdeutlicht, kann das reale Leben jedoch grausam genug sein und ausreichend reale Monster beherbergen, um uns den einen oder anderen Schauer über den Rücken zu jagen.
Darabont tut also sehr gut daran, sich eng an die literarische Vorlage zu halten und ihre Erzählweise zu bewahren, da eben diese zu einem großen Teil für die glaubwürdigen Charaktere verantwortlich ist. King bedient sich in ihr nämlich dem Stilmittel des Ich-Erzählers (in diesem Fall: Red), der die Geschichte eines anderen erzählt, wodurch es dem Autor möglich ist, aufgrund der detaillierten Schilderung tiefe Einblicke in die menschliche Psyche des Charakters zu gewähren, ohne ihn jedoch komplett zu entmystifizieren. So wird der Zuschauer beim Sehen zwar ge-, jedoch nicht
überfordert, wenn es darum geht, die wortwörtlich im Dunkeln der Zelle gelassene Gefühlswelt der Protagonisten in ein helleres Licht zu rücken. Aber selbst nach 137 Minuten intensiven Beobachtens des eindrucksvollen Spiels von
Morgan Freeman (Oscar-nominiert!) und
Tim Robbins sind immer noch nicht alle die Charaktere betreffenden Fragen beantwortet, weshalb ein Quentchen zur vollständigen Entschlüsselung der Geheimakte Red / Andy unserer eigenen Vorstellungskraft vorbehalten bleibt.
„There are places in this world that aren’t made out of stone. That there’s something inside... that they can’t get to, that they can’t touch. That’s yours.“
Was für die Figuren im Allgemeinen gilt, trifft auf Andy im Besonderen zu: angesichts der ungeschönten Schilderung des brutalen Gefängnisalltags bleibt es dem Zuschauern ebenso wie Andys Mitgefangenen zumindest teilweise ein Rätsel, wie Andy es fertig bringt, sich die Erinnerung an sein altes Leben und – noch viel wichtiger – die Hoffnung zu bewahren, eines Tages hierhin zurückkehren zu können. Manch ein anderer Leidensgenosse findet eine solche Aussicht da schon weniger angenehm. Und hier spielt der herausragende
„DIE VERURTEILTEN“ letztlich seinen größten Trumpf respektive den der Vorlage aus. Auf der einen Seite befindet sich derjenige, der sich nach der Entlassung in der realen Welt nicht mehr zurechtfindet, da er das ihm bekannte Leben – das einzige, zu dem er sich als nach so langer Zeit in Haft institutionalisierter Mann fähig sieht – hinter den schweren Mauern zurücklässt. Demgegenüber tummelt sich auf der anderen Seite der Ehrbare, der sich in einem System, in dem Kleinkriminelle Zelle an Zelle mit Schwerstverbrechern ihre Strafen absitzen, zunächst zurechtfinden muss und das zweifelhafte Handwerk erst richtig erlernt.
Da letzteres gerade dazu dient, sich später wieder ein Leben in Freiheit zu ermöglichen, wird damit bei genauerem Hinsehen deutlich, was der Film – geschickt verpackt – neben einer zu Herzen gehenden Geschichte einer lebenslangen Freundschaft im Grunde auch sein will: eine leise, dennoch ausdrucksstarke Kritik am amerikanischen Justizsystem.
„The funny thing is – on the outside, I was an honest man, straight as an arrow. I had to come to prison to be a crook.“, stellt Andy amüsiert fest. Ein kleiner Satz, der umso größere Folgen hat. Folgen, die nachhallen wie etliche Jahre in
Shawshank und der Film mit seiner bewegenden Geschichte an sich. Einer Geschichte davon, wie unter bestimmten Umständen das Leben zum Gefängnis und das Gefängnis zum Leben werden kann. Und wie es manchmal einem außergewöhnlichen Menschen gelingt, sich diesem Schicksal mit festem Willen und starkem Herz zu erwehren...