Regisseur Tim Burton hatte Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre mit seinen beiden Verfilmungen „Batman“ [1989] und „Batmans Rückkehr“ [1992] zu der berühmten DC Comic-Serie
Batman jeweils künstlerisch wie auch atmosphärisch gelungene Adaptionen des düsteren Stoffes abgeliefert. Diese besaßen unverkennbar die typisch burton-esken Züge, vermittelten jedoch gerade dadurch einen unwiderstehlichen Charme, indem sie Comic-haften Flair und Burtons Stil mit der in den Bildern der Vorlage transportierten Düsternis verbanden. Als weniger gelungen sind da leider Joel Schumachers Adaptionen zu bezeichnen, die 1997 mit dem unsäglich albernen „Batman und Robin“ ihr unrühmliches Ende fanden und den Mythos des Flattermannes mehr als stark ins Wanken brachten.
DC- als auch Joel Schumacher-Fans gleichermaßen versahen letztgenannten Film – wenn überhaupt – nur mit mittelprächtigen Wertungen, so dass lange Zeit fraglich war, ob Batman in absehbarer Zeit wieder zurück auf die Leinwand flattern würde. Viele Jahre und Verhandlungen über eine zeitgenössische Neuauflage des Comichits später, in deren Verlauf unter anderem der namhafte Regisseur Wolfgang Petersen („Das Boot“), der einen
Superman vs. Batman-Film plante, als Inszenator abgelehnt wurde, sollte 2005 schließlich das Jahr des
Christopher Nolan („
Memento“ [2001]) werden. Zusammen mit
David S. Goyer ersann der junge Regisseur ein Drehbuch für eine Neuauflage, das die Verantwortlichen sowohl überzeugte als auch das langerwartete grüne Licht für die Realisierung geben ließ. Die Vergangenheit hatte nämlich gezeigt, dass die „alte“ Filmreihe über den Flattermann schon 1997 maßlos ausgereizt war. Etwas Neues musste her, das nichtsdestotrotz dem Namen Batman gerecht werden musste. Und das Skript, das sich das erste Mal in der Geschichte des Superhelden ausführlich mit den Anfängen des
Dark Knight befasste, schien für die Verantwortlichen genau dieses benötigte Neue gewesen zu sein.
Industrie-Erbe Bruce Wayne (Christian Bale, „
American Psycho“ [2000]) reist, nachdem er als kleiner Junge hilflos mit ansehen musste, wie seine Eltern von einem Straßenräuber ermordet wurden, nach Ostasien, wo er auf seinen späteren Mentor Ra's al Ghul (Ken Watanabe, „
Die Geisha“ [2005]) trifft. Ein Mitglied von Ra's' Truppe, ein Mann namens Henri Ducard (Liam Neeson, „
Star Wars: Episode I“ [1999]), lehrt ihn in der Folgezeit verschiedene Kampftechniken, die Bruce dabei helfen sollen, einerseits seine Rachegelüste in die Tat umzusetzen, andererseits, sich letztlich seinen verhassten Ängsten zu stellen. Doch allzu schnell muss Bruce feststellen, dass Ra's al Ghul eigene finstere Absichten hat, denen der junge Wayne nicht Folge leisten will. In einem spektakulären Kampf gelingt es Bruce, mit einem verwundeten Henri Ducard zu fliehen und den Unterschlupf seines Mentors zu zerstören. Ducard wird im folgenden der Obhut eines Einheimischen übergeben, während Bruce sich wieder zurück auf den Weg nach Gotham City macht, um fortan für das Gute zu kämpfen. Zusammen mit seinem Butler Alfred (Michael Caine, „
Der 4 1/2 Billionen Dollar-Vertrag“ [1985]) und seinem weiteren Verbündeten, Lucius Fox (Morgan Freeman, „
Sieben“ [1995]) – ein Mitarbeiter in Waynes Industrie-Imperium – beginnt er, sein Alter Ego in Form einer schwarzen Fledermaus zu erschaffen. Waren Fledermäuse damals noch Grund für Bruces Kindheitstrauma, sollen ab nun die Schurken in Gotham City durch den überdimensionierten Flattermann traumatisiert werden. So nimmt Batman ohne Superkräfte, aber mit einem Arsenal von Hightech-Waffen den Kampf mit den dunklen Mächten auf, die unaufhörlich auf Gotham City zurollen, und steht am Ende einem Gegner gegenüber, mit dem er am wenigsten gerechnet hat.
Christopher Nolan nimmt sich viel Zeit für die Einleitung seines Films und inszeniert Bruce Waynes Werdegang mit Raffinesse und dem nötigen Ernst, der gerade den Joel Schumacher-Vorgängern fast gänzlich fehlte. Als Folge bekommt der Zuschauer zwar bis auf einige Ausnahmen lange Zeit nicht viel Action zu Gesicht; jedoch sind gerade diese narrativen Elemente, die den Mythos Batman näher beleuchten, derart eindrucksvoll und stark inszeniert, dass man zeitweise fast vergisst, eine Comicverfilmung vor Augen zu haben. Düstere Bilder wechseln sich in der ersten Hälfte ab mit interessanten Rückblicken und einigen wenigen, dafür umso packender präsentierten Kampfsequenzen, was dem ersten Teil des fast 2½-Stunden-Films eher den Schein einer Charakterstudie verleiht. Dass eine Inszenierung, die allzu sehr in die Tiefe des Hauptcharakters eintaucht, mitunter jedoch am Ziel vorbeischießen kann und den Zuschauer, der eine Superheldenverfilmung erwartet, mehr langweilt als unterhält, hat unlängst Ang Lees „Hulk“ [2003] bewiesen. Der Film konnte sich bei ohne Zweifel noch so eindrucksvoller Präsentation nicht entscheiden, welche Schiene er fahren wollte. Gott sei Dank, muss man fast schon sagen, überwiegt in der zweiten Hälfte von
„BATMAN BEGINS“ weniger die Charakterzeichnung Batmans denn vielmehr die spannende Geschichte des Kampfes Gut gegen Böse. Insoweit muss man Christopher Nolan beglückwünschen, dass er das gar nicht so Einfache geschafft hat, nämlich Anspruch mit einer anschließenden obligatorisch etwas abstrusen Geschichte zu verbinden, ohne aus den Augen zu verlieren, dass die Fans eine Comicverfilmung erwarten und kein Psychogramm eines tragischen Helden.
Ein weiterer Pluspunkt, der den Film von lieblos hingeklatschten Comicverfilmungen wie etwa „
Daredevil“ unterscheidet, ist der in diesem Genre eher unbekannte Realismus, der dem Umstand Rechnung trägt, dass Batman ein Normalsterblicher und als solcher sowohl verwundbar als auch nicht unbesiegbar ist. Seine Waffe ist sein Geist, sein Verstand, dem er mit einem Arsenal an einigen kleinen imposanten Hightech-Waffen, die ihm Lucius Fox zur Verfügung stellt, Ausdruck verleiht. Dies geschieht im Film trotz des imposanten Budgets von knapp 150 Mio. Dollar fast ohne Einsatz von aufdringlichen Effekten, weshalb das Geschehen sogar zu dem Zeitpunkt, als der „Panzer“ von Dach zu Dach fliegt, niemals unglaubwürdig wirkt. Diese übrigens aufwendigste Sequenz des gesamten Films schlägt selbst den schon packenden Endkampf um Längen. Und trotzdem bleibt ein einziger Wermutstropfen:
Katie Holmes („
Thank You For Smoking“ [2005]) als Stellvertretende Staatsanwältin und Bruce Waynes Jugendliebe ist eine glatte Fehlbesetzung, die von der Riege an Altstars wie
Michael Caine und
Morgan Freeman regelrecht an die Wand gespielt wird. Die „Dawson's Creek“-Geschädigte ist zwar nett anzusehen, vermag aber durch ihr solides Agieren nicht die Genialität eines
Christian Bale zu erreichen. Im Sequel „
The Dark Knight“ [2008] wird sie wohl auch von Maggie Gyllenhaal abgelöst.
„BATMAN BEGINS“ ist letztlich somit die vielleicht realistischste Superhelden-Verfilmung, auf jeden Fall die gelungenste Neuauflage einer langjährig erfolgreichen Kino-Film-Reihe. Die ausgewogene Mischung aus Anspruch, Action und leisem Humor macht den schwarzen Flattermann nach dem missratenen „Batman und Robin“ wieder fit für weitere Abenteuer in Gotham City. Jedes (noch so unrühmliche und vorläufige) Ende ist damit doch immer der Beginn für etwas Neues, manchmal auch Besseres. Wenn nur dies die Quintessenz dessen darstellen sollte, was der Leser nach der Lektüre aus der Kritik zieht, ist der Rezensent schon ganz zufrieden.
Not bad, man!