„Something very wrong with that horse!“
mannbeisstfilm.de hat es zwar schon vor 6 Jahren in der ausführlichen Kritik zu „
Fluch der Karibik 3“ [2007] klargestellt, und doch soll es bei dieser Gelegenheit noch einmal mit aller Deutlichkeit gesagt werden: Die
Fluch der Karibik-Reihe, auch wenn es bis heute noch viele anders sehen, war, ist und bleibt niemals mehr als eine filmgewordene Jahrmarktsattraktion. Der pure, zelebrierte Gigantismus, der gerade den dritten Teil der erfolgreichen Piraten-Saga durchzog, spricht auch heute noch wahre Bildbände, und doch ging der Achterbahn-Aspekt mehrheitlich in den unnötig aufgewühlten Kritiker-Fluten unter. Und es steht zu befürchten, dass dem Western-Actioner
„LONE RANGER“,
Disneys Wiederbelebung einer 30er Jahre-Radioserie, alsbald dasselbe Schicksal bevorsteht. Denn man muss kein ausgebildeter Fährtenleser sein, um die entsprechenden Zeichen, die von dem sündhaft teuren Abenteuer-Streifen ausgehen, richtig zu deuten. Da Krawall-Häuptling Jerry Bruckheimer abermals das einstige
Fluch der Karibik-Erfolgsteam um sich geschart hat, darf im Vorfeld nämlich wieder durchaus Großes erwartet werden, sprich: Übergroßes Hochglanzspektakel in großen, ausladenden Bildern, das, wie könnte es auch anders sein, wiederholt für große Entrüstung sorgen wird. Darauf verw
ettet der Rezensent seine Cowboy-Stiefel.
In
„LONE RANGER“ erzählt der Indianer Tonto (Johnny Depp) die Geschichte des Texas Ranger John Reid (Armie Hammer), der sich aufmachte, den gefährlichen Outlaw Butch Cavendish (William Fichtner) zur Strecke zu bringen, und dabei zum maskierten Rächer gegen das Verbrechen wurde. Was dazwischen passiert, sind die üblichen Verschwörungen, Freundschaften und effektreichen Verwicklungen, die auch schon den
Fluch der Karibik in gewisser Weise ausmachten. Kein Wunder, da dessen Drehbuchautoren auch hier wieder mit von der Partie sind, um den mit einem Alter von 80 Jahren bereits etwas angestaubten Mythos des Lone Ranger, der 21 Jahre lang und in insgesamt 2956 Hörspiel-Folgen seine Abenteuer be(st)ritt und im Anschluss sogar noch eine erfolgreiche ABC-Fernsehserie nach sich zog, mit neuem Leben zu füllen. Und hier liegt vielleicht auch schon der größte Kritikpunkt, den man diesem Film vorwerfen könnte: Er ist in dem Versuch, das Western-Genre wieder salonfähiger zu machen, zu wenig konsequent, während das, was er präsentiert, schlicht zu pompös, zu gewaltig, zu abstrus-unterhaltsam ist, als dass man das Spektakel nicht als das annehmen könnte, was es nun einmal ist: eine riesige, erstaunlich lebendige Wüste voller unterhaltsamer Ideen und noch mehr übertriebener Action, in der ein bemalter Johnny Depp als sichere Bank einmal mehr eine klamaukige Performance nach der anderen abliefert.
„LONE RANGER“ ist, wenn man so will, die hundertprozentige Reinkarnation all dessen, was in den Piraten-Vehikeln einst für Furore (und selbstredend auch für kritische Stimmen) sorgte. Wer etwas anderes erwartet, muss zwangsläufig enttäuscht den Kinosaal verlassen.
Da wird beinah unaufhörlich geschossen, explodiert, gehetzt und duelliert, dass man sich zwischenzeitlich gar in einer Themenpark-Wildwestshow wähnt, an deren Ende alle Protagonisten wieder quicklebendig vor die Zuschauer treten, um sich am tosenden Applaus des Publikums zu laben. Doch die Stuntshow währt hier ewig und hallt selbst noch über den Abspann hinaus nach. Die Dauerbefeuerung durch Colts und Dynamit, untermalt vom überraschend lässigen
Hans Zimmer-Score, ist ein einziger großer Filmmoment,
das wirklich Konstante in einem ansonsten etwas unentschlossen wirkenden Western-Vertreter der Marke Bruckheimer. Denn während sich der erste
Fluch der Karibik zum Beispiel noch als ein vorrangig packendes Actionabenteuer mit genau der richtigen Portion Witz und Esprit hervortat, ist hier der Esprit nun einem deutlich grimmigeren Unterton gewichen, der sich des öfteren mit Johnny Depps überkandidelter Performance und der ein oder anderen Drehbuch-Abstrusität beißt. So könnte man im einen Moment den
„LONE RANGER“ als glatte Action-Komödie durchwinken, im anderen obsiegt dann jedoch schon wieder die pure Bleigewalt. Das wirkt einerseits sicherlich befremdlich, gibt dem Film aber zeitweise auch ein (zugegeben eigenwilliges) Gesicht hinter der Effekte-Maske, welche ansonsten niemals abgelegt wird. Tontos gutgemeinter Ratschlag an den soeben frisch gekürten Lone Ranger, seine Maske aufzubehalten, hat sich scheinbar auf das gesamte Werk übertragen.
Wie passend ist es da doch in diesem Zusammenhang, dass der wenig entschlussfreudige
„LONE RANGER“ glaubt, mit Johnny Depp als Hauptprotagonisten des Films werben zu müssen (ein Schachzug, der schon bei „
Alice im Wunderland“ [2010] verwunderte), während der eigentliche Star des Films ohne Zweifel derjenige mit dem interessanteren Namen
Armie Hammer („
The Social Network“ [2010]) ist. So ungern Mit-Produzent Depp es vielleicht auch hören mag, aber sein Name allein ist schon längst kein Garant mehr für einen Kassenerfolg, wie die aktuellen Misserfolge „Rum Diary“ [2011] und „
Dark Shadows“ [2012] belegen. Tonto ist trotz ordentlicher Leinwandpräsenz letztlich nicht viel mehr als ein illustrer Sidekick, den man einfach hinnehmen muss, um das von Gore Verbinski dargebotene Leinwand-Spektakel als solches goutieren zu können. Denn sind der gewöhnungsbedürftige Akzent, die seltsame Kostümierung und der Umstand, dass Tonto irgendwie immer wie ein Jack Sparrow in Indianer-Montur wirkt, erst einmal verschmerzt, lässt sich voll und ganz Hammers akzentuiertes Schauspiel bewundern, das gekonnt zwischen Selbstironie und gesundem Ernst pendelt, ohne – im Gegensatz zu Johnny Depp – zur bloßen Karikatur zu verkommen. Diesem Mann steht eine große Karriere bevor, wobei jedoch fraglich ist, ob hierbei ausgerechnet dieser eigenwillige, nichtsdestotrotz unterhaltsame Western helfen wird. Der Film ist wie zuletzt bereits „
John Carter“ [2012] ein kalkuliertes Risiko seitens
Disney, das natürlich aufgehen kann, aber eben nicht zwangsläufig muss. Und dann wäre ausnahmsweise kein helfendes
Spirit Horse zur Stelle...
Fazit:
Disneys actionreicher
„LONE RANGER“ ist so optisch brillant wie belanglos, ein 150 Minuten langer Dauerritt durch die Bruckheimer-Prärie, die dem Western-Genre keine neuen Impulse abringt, sondern einfach da weitermacht, wo „Fluch der Karibik“ seinerzeit aufgehört hat. Wer mag, werfe hierfür den ersten Stein. Doch es gibt in der Traumfabrik Hollywood derzeit weitaus Schlimmeres als diesen einsamen Ranger, der neben entlaufenen Gangstern auch noch die Zuschauergunst sucht. Im Grunde ist er nämlich zu bemitleiden, jener maskierte Mann, der vordergründig solide Blockbuster-Kost abliefert, in Wirklichkeit aber damit bereits sein eigenes Grab schaufelt. Denn dass der mit über 250 Millionen Dollar Produktionskosten bisher teuerste Western aller Zeiten zum veritablen Kassenerfolg gereicht, ist angesichts des gegenwärtigen schweren Genre-Standes und des langsam sinkenden Sterns eines Jerry Bruckheimers mehr als anzuzweifeln. Zumindest dem Unterhaltungswert des Films, den doch bitte niemand auch nur eine Millisekunde lang ernstnehmen sollte, tut dies keinerlei Abbruch. Ein Trost, wenn auch ein recht schwacher...
Cover & Szenenbilder: © Disney Enterprises, Inc. and Jerry Bruckheimer Inc. All Rights Reserved.