von Asokan Nirmalarajah
Filmische Künstlerbiographien pflegen für gewöhnlich die gleichen Pfade einzuschlagen. Ein außerordentlich begabtes Individuum hat in diesen narrativ bieder geratenen Lebenschroniken mit seinem oder ihrem kreativen Schaffensprozess oft weit weniger zu ringen als mit externen Faktoren wie uneinsichtigen Familienmitgliedern, rivalisierenden Zunftgenossen und intrigant agierenden Parteien, die hoffen, die geschätzte Kunst für politische Zwecke zu nutzen. Oft geht es auch weniger um die Konzeption und Vollendung eines nunmehr legendären Kunstwerkes, als um die psychischen Traumata bzw. physischen Kraftakte, die dazu führten, aus ihr folgten oder gar ganz unabhängig von der Kunst den oft genug mittellosen Künstler und seine oftmals sensible Seele plagten. Zwecks der weiteren Dramatisierung eines bereits von allerlei Drogen und Obsessionen erfüllten Werdegangs erhält manch Künstler dann noch einen verschlagenen Zeitgenossen gegenübergestellt, mit dem er wetteifern und gegen den er sich definieren kann. Zu den populäreren Exemplaren dieses eher deprimierend pessimistischen Filmgenres zählt Milos Formans unkonventionelles, schrilles Komponistenporträt
Amadeus (1984), das zu einem Maßstab für spätere Werke wurde. Die relativ aufwendige TV-Produktion des US-Senders TNT,
Michelangelo – Genie & Leidenschaft (1991) tut also gut daran, mit F. Murray Abraham gleich den Oscar-prämierten Hauptdarsteller jenen Films in einer Nebenrolle engagiert zu haben. Nur leider ist fast jede weitere Entscheidung des Films ein Fehler.
Wie am deutschen Titel zu erkennen, steht mit Michelangelo Buonarroti (Mark Frankel) einer der berühmtesten Künstler der Weltgeschichte im Zentrum des zweiteiligen TV-Films, dessen amerikanischer Originaltitel
A Season of Giants noch darauf hinweist, dass der Maler, Bildhauer und Architekt hier zu der Zeit der italienischen Hochrenaissance eingefangen wird und seine Rivalität zu der anderen, erfahreneren Koryphäe Leonardo Da Vinci (John Glover) im Zentrum der sich sehr bleiern fortschreitenden Handlung steht. So folgen wir dem jungen Universalgenie Michelangelo von seinen Lehrjahren in der Bildhauereischule des Lorenzo de’ Medici (Ian Holm), seinen diversen Kämpfen mit uneinsichtigen Auftragsgebern, seiner von religiösen Schuldgefühlen geplagten, tragischen Liebe zu seiner ersten Muse (Ornella Muti), seiner respektvollen wie streitlustigen Beziehung zu dem nicht minder besessenen Da Vinci, seiner sensationellen Schaffung der kolossalen Statue des David, bis hin zu seiner Allianz mit dem unbeholfenen Papst Julius II. (F. Murray Abraham), für den er schließlich die Decke der Sixtinischen Kapelle kreiert. Was ihn aber durchweg zu schaffen macht ist die Ablehnung und das Unverständnis seines geliebten, aber eitlen Vaters Lodovico gegenüber seiner Kunst…
Gedreht in den authentischen, oft sonnendurchfluteten, idyllischen Landschaften Italiens, ist diese amerikanisch-italienische Co-Produktion mit einer üppigen Laufzeit von 200 Minuten, die bei der ersten Ausstrahlung in zwei Teile von Spielfilmlänge geteilt wurde, für eine TV-Produktion recht angenehm fürs Auge und aufwendig genug ausgestattet, um den Zuschauer in die zeitlich, räumlich und ideologisch entrückte Ära der Renaissance zu entführen. TV-Veteran Jerry London, der auch
Shogun (1980) mit Richard Chamberlain inszenierte, vermag aber das wenig informative und kaum erleuchtende Skript nach dem Buch Vincenzo Labellas mit seiner biederen, schlichten Inszenierung nicht zu beleben. Die meisten Szenen des Films spielen in geschlossenen Räumen, wo die hölzernen Darsteller abgegriffene Dialoge aufsagen dürfen, während nur wenige interessante Ansätze aufgeworfen werden, die das geplagte Genie Michelangelo erleuchten würden. Der ansprechende, aber bemühte Mark Frankel ist sichtlich überfordert in der Titelrolle, insbesondere wenn er auf die vielen prägnanten Charakterfressen in den Nebenrollen stößt, unter denen – wie nicht anders zu erwarten – besonders John Glover als anmaßender Da Vinci und Steven Berkoff als orthodoxer Priester mit gewohnt intensivem Spiel auftrumpfen dürfen. Die schöne Ornella Muti ist abermals nur nettes Beiwerk.
Michelangelo – Genie & Leidenschaft ist eines jener Filme, die irgendwann ihren Weg in den Schulunterricht eines Geschichtslehrers finden, der zwecks belehrender Einführung in die Ära der Renaissance diesen wenig aufregenden TV-Film aufführen wird, und damit seine Schüler zwangsläufig nur noch mehr abschrecken wird. Das vermeintliche Potential hinter der Geschichte Michelangelos und seiner Zeit mit all ihren religiösen, politischen und kreativen Unruhen, die sich weit effektiver in Michelangelos Werken selbst finden lassen dürften, kann dieser oberflächliche, amateurhaft wirkende Film nur erahnen lassen.