„Don't make me hungry. You wouldn't like me when I'm hungry.“
Nachdem Ang Lees „Hulk“ 2003 nicht den gewünschten Erfolg brachte und zu einer der meist diskutierten Comicverfilmungen überhaupt mutierte, schien eine Kino-Wiederbelebung des 1962 von
Stan Lee und
Jack Kirby geschaffenen Franchise in weite Ferne gerückt. Doch Comicgigant
Marvel besann sich schließlich eines Besseren und lässt nach „
Iron Man“ [2008] nun den schon zweiten, selbstproduzierten Superheldenstreifen auf die Zuschauer los. Mit neuen Schauspielern und dem Vorsatz, sich ausrichtungstechnisch wieder mehr an der TV-Serie mit
Bill Bixby und
Lou Ferrigno zu orientieren.
Schon gleich zu Beginn wird deutlich, dass Regisseur
Louis Leterrier („
The Transporter“ [2002], „
Transporter - The Mission“ [2005]) nichts anbrennen lassen will, weshalb er gänzlich anders als Ang Lee seinerzeit schon während des Vorspanns die Vorgeschichte Banners zwischen schnellen Schnitten und anschwellender Orchestermusik unterbringt. Damit sind zunächst einmal die Fronten glasklar: War Lees Version bei aller entgegengebrachter Kritik von der ersten Minute an eine überaus fesselnde, zugegeben langsam in Fahrt kommende Charakters
tudie mit Actioneinschlag, die dem Namen
Comic-Verfilmung später mehr als gerecht werden sollte, lässt Action-Routinier Leterrier die 2003 inszenierte Geschichte – die
Vision eines anspruchsvollen Könners namens Ang Lee – vollkommen außen vor und erzählt eine für sich stehende, losgelöste Monster-Mär ohne viel künstlerisches Drumherum. Sollte sich gar eine neue Vision eines altbekanntes Stoffes vor den Augen des Zuschauers entfalten?
Man möge davon absehen, ihn wütend zu machen: Der Forscher Bruce Banner (Edward Norton, „
Fight Club“ [1999]) mutiert seit einer Überdosis Gammastrahlen immer, wenn er sich zu sehr aufregt, zu einem wütenden Riesen, dem
Hulk, dessen Zerstörungswut keine Grenzen gesetzt sind. Aufgrund der Unberechenbarkeit dieser „Gabe“, die trotz praktischer Unbesiegbarkeit mehr Fluch denn Segen für das Leben Banners bedeutet, zog es den Forscher fünf Jahre nach Südamerika, wo er bis zum heutigen Zeitpunkt versteckt vor den Augen der Öffentlichkeit nach einem Gegenmittel sucht, um das Etwas in ihm ein für allemal zu zerstören. Hierfür gab er seinerzeit sogar die Liebe zu der schönen Biologin Betty Ross (Liv Tyler, „
The Strangers“ [2008]) auf. Vergessen hat er sie jedoch nie. Und das Schicksal will es, dass eine kleine Unachtsamkeit tausende von Kilometern entfernt Bettys Vater General Ross (William Hurt, „
Into the Wild“ [2007]), der den Hulk als militärische Wunderwaffe einzusetzen gedenkt, wieder auf die verlorengeglaubte Spur des grünen Giganten lenkt. Eine atemlose Hatz beginnt, in der schließlich auch Betty eine wichtige Rolle einnimmt. Als gar nichts mehr gegen den grünen Riesen zu fruchten scheint, ruft Ross den kampfbesessenen Marine Emil Blonsky (Tim Roth, „
Jugend ohne Jugend“ [2008]) auf den Plan, der sich bereitwillig wie einst Banner ähnlichen „Feintuning“-Experimenten unterzieht. Mit durchschlagendem Erfolg. Hulks bisher mächtigster Gegner, der widerliche
Abomination ist geboren und wartet nur darauf, auf den grünen Wüterich losgelassen zu werden.
Eingefleischte Hulk-Puristen werden beim Lesen der kurzen Inhaltsangabe freilich zunächst einen kleinen inneren Jubelschrei verdrücken. Das Hauptaugenmerk von
„DER UNGLAUBLICHE HULK“ – so wirkt es zumindest auf den ersten Blick – scheint auf viel Action und bombastischem Effektfeuerwerk zu liegen. Getreu dem Geist des Comicbuches folgend. Doch Schein ist nun einmal nicht immer Sein, denn die gezeigte Wirklichkeit auf der Leinwand spricht gänzlich andere Worte. Das erste Auftreten des Hulk spielt sich beispielsweise schattenbedingt mehr oder weniger im Dunkeln ab, weshalb somit eigentlich nur von der Soundkulisse her darauf zu schließen ist, dass da gerade was enorm Großes etwas Großes mit großem Getöse durch die Gegend wirft. Danach ist erst einmal kurz Sendepause. Knapp bemessene Zeit für Bruce Banner, über seine vergifteten Zellen nachzudenken. Der Kampf eines Menschen mit seinen inneren Dämonen wird dabei von
Edward Norton im Rahmen des Möglichen grundsolide dargeboten, daran besteht kein Zweifel. Doch ein simpel gestricktes Drehbuch aus der Feder von
Zak Penn (Story zu „
Last Action Hero“ [1993]) lässt eben selbst nach einer gründlichen Überarbeitung seitens Norton (die Nennung als Co-Autor scheiterte letztlich an den strengen Vorgaben der
Writers Guild of America) die Leistung eines überragenden Charaktermimen eher weniger großartig erscheinen. Genauso wie seine komplette Erscheinung, die im Film von einem verdutzten
Tim Blake Nelson („
The Astronaut Farmer“ [2006/2007]) mit dem Wort „bescheiden“ beschrieben wird, als er erfährt, dass der Mensch vor ihm der berühmt-berüchtigte grüne Riese sein soll. Hier von Selbstironie zu sprechen, liegt beinahe schon etwas zu nahe.
Viel Anspruch sollte der Kinogänger also von vornherein nicht erwarten. Am besten gar keinen, um ehrlich zu sein. Die meisten Fans des grünen Monsters werden sowieso auf die Action-Szenen aus sein und darauf hoffen, dass nach dem ersten nebulösen Auftritt des computergenerierten Giganten endlich das herbeigesehnte, 150 Millionen Dollar teure Effekte-Feuerwerk gezündet wird. Doch dieses erweist sich im Nachhinein betrachtet als überaus spärlich und überraschend unspektakulär, folgt es doch treudoof dem Motto „
Aller guten Dinge sind drei“. Richtig gelesen. Nicht mehr und nicht weniger als drei Actionsequenzen sind über die Lauflänge von 112 Minuten verstreut, wobei der Endkampf mit knapp 20 Minuten noch den Mammut-Anteil einnimmt. Würde dieses Aufeinanderprallen der beiden Gegner wenigstens überzeugen, wäre ja alles noch in halbwegs bester Ordnung. Doch wie schon in „
Transformers“ [2007] siegten wieder einmal hektische Schnitte über übersichtlich choreographierte Kämpfe. Endresultat ist eine tricktechnisch perfekte Materialschlacht, die leider nicht nur altbekannten Mustern folgt, sondern zudem im Schnittgewitter nahezu untergeht. Die Vision eines Filmemachers, die zwangsläufig das Lösen vom Bekannten bedeutet, sieht wahrlich anders aus.
Gelungene Effekte, eine passende Musikuntermalung von
Craig Armstrong, ein, zwei kurze Anzeichen von Selbstironie und der interessante Gastauftritt eines alten Bekannten am Ende retten den Film, der sich bis hierhin leider viel zu ernst genommen hat, damit noch gerade so ins Mittelfeld. Schade, denn angesichts des bisherigen Einspiels, das mit aktuell 221,4 Millionen Dollar in etwa auf demselben Level wie seinerzeit der als Flopp titulierte „Hulk“ liegt, wird dies der wohl letzte und wenig würdige Auftritt des Wüterichs auf der großen Leinwand bleiben. Im Nachhinein betrachtet erscheint eine Szene im ersten Drittel des Films nun beinahe wie ein subtiles, stilles Eingeständnis Nortons, sich mit der Rolle trotz CGI-Muckis etwas verhoben zu haben. „Sie sind der Beste“, sagt der Mime dort zu einem hünenhaften Wachmann, der ausgerechnet von jenem Lou Ferrigno verkörpert wird, welcher in den 70er Jahren mangels zur Verfügung stehender Digitaltechnik den Hulk in der gleichnamigen Serie verkörperte. Ob dies beabsichtigt war, kann dahingestellt bleiben. Sicher ist traurigerweise einzig, dass dieser Neustart des wütenden Hulk so
unglaublich nicht daherkommt.
Man könnte sich echt grün ärgern...