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Der Tod einer Bestie

Der Tod einer Bestie

Ein Film von Luis Llosa

"The people celebrate
With great enthusiasm
the feast of the Goat
the thirtieth of May"


So lautet der Text aus einem dominikanischen Volksgesang, welcher das kurze Aufatmen der Bevölkerung nach dem Ende der Tyrannenherrschaft Raffael Trujillos widerspiegelt.
Dabei symbolisiert „The Feast of the Goat“ auf zynische Art die Zelebration des Attentats auf den „Ziegenbock“ Trujillo, der auf der Fahrt zu seiner Liebesranch von Intriganten erschossen wurde.
Die Ereignisse um das Zustandekommen und den Verlauf des Hinterhalts als Reaktion auf die unmenschliche Tyrannenherrschaft Trujillos ist der geschichtliche Hintergrund für den Roman des peruanischen Schriftstellers Mario Vargas Llosak, und zugleich Vorlage für die gleichnamige Verfilmung des ebenfalls aus Peru stammenden Regisseurs Luis Llosa.
„The Feast of the Goat“ ist somit nicht nur ein revolutionärer Slogan unter der Bevölkerung der Dominikanischen Republik, sondern auch Titel der literarischen und filmischen Abhandlung und beschreibt auch den eigentlichen Mittelpunkt der Geschichte: der Diktator Rafael Leónidas Trujillo Molina. Die deutsche Übersetzung des Titels in „Der Tod einer Bestie“ klingt zwar sehr reißerisch und erweckt Interesse, wird aber der Tiefgründigkeit und geschichtlichen Wurzel des Originals nicht gerecht.

2005 verfilmte Regisseur Luis Llosa („Sniper“, „The Spezialist“,
stfilm.de/kritik/Luis-Llosa/Anaconda/662.html">„Anaconda“) die fiktive Geschichte der Urania Cabral, der wohl tragischste Verweis auf das allgemeine, 30-jährige Martyrium der Bevölkerung unter Trujillos Diktatur, und hält sich dabei sehr dicht an Llosaks Romanvorlage.
Llosa unterteilt die Handlung in drei verschiedene Zeitebenen, wobei er mehrere handlungsrelevante Charaktere einführt und von Zeit zu Zeit den Blickwinkel wechselt.
Der Film beginnt mit der Anreise einer amerikanischen Rechtsanwältin, die ihre Familie nach 30 Jahren Exil in der dominikanischen Heimat San Domingo besucht. Das Jahr ist 1992.
Urania Cabral (sehr überzeugend gespielt von Isabella Rossellini, eine italo-amerikanische Schauspielerin, die insbesondere in den 90ern mit Filmen wie „Wyatt Earp“, „Ludvig van B.“ und Abel Ferraras „Das Begräbnis“ gleichsam Kritiker wie Publikum begeistert hat) arbeitet in Manhattan, ist mit ihren 44 Jahren zwar beruflich erfolgreich, jedoch unverheiratet, kinderlos, einsam und verbittert. Ihr Besuch gilt ihrem greisen Vater Augustin Cabral (Paul Freeman), den sie für eine traumatische Erfahrung in ihrer Kindheit vor 30 Jahren verantwortlich macht und ihn seitdem verachtet.
Urania hat ihren Vater seit diesem Vorfall nicht mehr wieder gesehen und jetzt da er nach einem Schlaganfall an einen Rollstuhl gefesselt, geistig kaum aufnahmefähig und daher auf die Pflege durch die Schwester angewiesen ist, will sie ihn vor dem Tod noch mit dem Ereignis, das ihr Leben verändert hat, konfrontieren und zur Verantwortung ziehen.
Die Geschichte unternimmt durch Uranias Erinnerungen eine Reise zurück in das Jahr 1956, als die Welt der Cabrals noch in Ordnung war. Augustin Cabral ist der Staatssekretär und Kongressvorsitzender des skrupellosen und gefürchteten Diktators Rafael Trujillo, alias „der Chief“, alias der „Ziegenbock“, alias Tomas Milian (talentierter kubanischer Schauspieler der guten alten Schule). Cabral ist der politische Berater des Diktators und hat es durch ein geschicktes Händchen und durch die Gunst des Chiefs zu viel Wohlstand gebracht. Sein größter Schatz ist jedoch die 15-jährige, überaus talentierte und aufgeweckte Tochter Urania (Stephanie Leonidas), die er wie seinen Augapfel hütet.
Regisseur Llosa entführt uns Zuschauer aus dem idyllischen Leben der Cabrals auf die Hinterbank eines Chevrolets, in welchem vier entschlossene, mit Pistolen, Gewehren und Schrottflinten bewaffnete Männer auf der Lauer sitzen. Sie warten auf das Auto des Diktators, der in diesem Hinterhalt sein Leben lassen soll. Wir sind zeitlich um 5 Jahre nach vorn versetzt in das Jahr 1961.
Alle Vier sind entschlossenen zu der bis ins Detail ausgeplanten, kaltblütigen Tat. Da ist zunächst Antonio de la Maza (David Zayas, bekannt aus „16 Blocks“), ein wohlhabender Ingenieur. Er ist erfüllt von Rachegedanken für seinen Bruder, der zufällig Zeuge der Entführung eines revolutionären Schriftstellers und Regimekritikers wurde. Trujillo, der den Literaten umbringen ließ, in Unkenntnis, dass dieser amerikanischer Staatsbürger war, ließ den Mord aus Angst vor Amerikas Reaktion vertuschen und damit auch alle Beteiligten beseitigen. Antonios Bruder wurde Opfer eines inszenierten Selbstmords und fünf Jahre nach dem schändlichen Vorfall hat Antonio nun endlich Gelegenheit zur Rache.
Der Tod einer BestieDer Tod einer BestieDer Tod einer Bestie
An seiner Seite sitzt Juan José Vinas (Steven Bauer, der Kumpel von Tony Montana aus „Scarface“ und Brian De Palmas Dauerbesetzung), der gehörnte General. Seine Frau war die heimliche Konkubine des Diktators, der mit größtem Vergnügen die Ehefrauen seiner Untergebenen zu solchen kürte. Trujillo belauschte unglücklicherweise ein Telefonat zwischen Juan José und seiner Frau, in welchem sich der General kritisch gegenüber der Kompetenz des alternden Tyrannen äußerte. Die Konsequenz war eine öffentliche Demütigung Vinas’ und dessen Rauswurf aus dem Militär – der berufliche und private Ruin.
Doch am tiefgreifendsten veränderte der Chief das Leben des jungen Lieutnant Amadito García Guerrero (gespielt vom Argentinier Juan Diego Botto), dessen Leben einen steilen Aufstieg in der militärischen Laufbahn in der Privatgarde des Diktators eingeschlagen hatte. Als bekannt wurde, dass seine Verlobte die Schwester eines liberalen, kommunistischen Studenten und Beteiligten aus der Untergrundbewegung ist, musste der Lieutnant seine Loyalität zu Trujillo nicht nur mit dem Distanzieren von seiner Geliebten, sondern auch durch die Exekution ihres Bruders beweisen. Mit Hilfe seines Onkels und den anderen zwei Geächteten will er nun Vergeltung üben.

Mittlerweile hat auch der Staatsmann Cabral es sich mit dem launischen Chief verscherzt. In einer politischen Meinungsverschiedenheit hatte der persönliche Berater des Diktators diesen in seinem Stolz und seiner naiven Loyalitätsvorstellung gekränkt und ist seitdem in Ungnade gefallen. Cabrals Auto wurde konfisziert, die politische Mitsprache entzogen, das Bankkonto eingefroren und Cabral einer fingierten Unterschlagung beschuldigt.
Cabral kann nur auf einem Wege dem kompletten Bankrott und beruflichem Untergang entgehen. Indem er seine jungfräuliche, bildschöne Tochter Urania dem lüsternen Despoten zur Verfügung stellt und damit dessen unermessliches sexuelles Verlangen nach jungen Frauen und dessen extremen Vorstellungen von bedingungsloser Loyalität, Unterwürfigkeit und Gehorsam befriedigt. Cabral sieht keinen anderen Weg als klein beizugeben.

„Der Tod einer Bestie“ erweist sich als eine würdige Interpretation einer literarischen und historischen Rekonstruktion der dramatischsten Zeitgeschichte der Dominikanischen Republik. Mit Llosas visionärem Talent, hohem Anspruch auf technische Perfektion und narrativem Einfallsreichtum vermag der Film schon innerhalb kurzer Zeit den Zuschauer zu ergreifen und an dem tragischen Schicksal der gut konstruierten Charaktere teilhaben zu lassen. Die Komplexität der Charaktere und der authentische Flair der Geschichte ist zweifellos dem Schriftsteller und Drehbuchkoautor Mario Vargas Llosak zu verdanken. Dementsprechend vermag der peruanische Landsmann Luis Llosa die Thematik mit Hilfe prächtiger Bilder, aufwendigen Sets und Kostümen, des bombastischen Scores von José Antonio Molina und intelligenten Storytwists mit tiefer Dramatik zu versehen.
Die 8 Millionen Dollar Budget wurden hier gut investiert und sind in jeder Szene des Films deutlich anzusehen. Es wurde auch an Requisiten nicht gespart und man bekommt einen beeindruckenden, authentisch wirkenden Einblick in die damalige Zeit, als San Domingo noch von propagandistischen, protzerischen Militärparaden, ausschweifenden Gelagen und kostspieligen Ballveranstaltungen des Diktators einerseits und Demütigung, Armut, Unterdrückung und Auflehnung der Bevölkerung andererseits geprägt war.
Der Tod einer BestieDer Tod einer BestieDer Tod einer Bestie
Die andere sehr erfreuliche Komponente des Films ist die makellose Schauspielleistung der Darsteller, die qualitativ selbst auf der Theaterbühne den hohen Anforderungen entsprechen würde. Besonders hervorzuheben ist in erster Linie Isabella Rossellinis Auftritt als zerrüttete, traumatisierte und von der Welt enttäuschte Frau, die den Mut aufbringt sich ihrer Vergangenheit und dem verhassten Vater zu stellen. Der von Paul Freeman verkörperte Vater Augustin Cabral stellt eine zentrale Figur dar. Als Staatsmann seinem Vorgesetzten und Regenten treu erfüllte er zwar tadellos seine Erwartungen als Staatsekretär, unterschätzte jedoch das repressive System des willkürlichen Despoten Trujillo, was für ihn gravierende Konsequenzen hatte und ihn seitdem ein Leben voller Schuldgefühlen zu führen zwang.
Wie Freeman den apathisch dreinschauenden Cabral im Rollstuhl darstellt, der nach dem Schlaganfall sich verbal zwar nicht mehr äußern kann, doch mimisch die leidensvolle Präsens der unverarbeiteten Vergangenheit und das tiefe Schuldbewusstsein gegenüber seiner Tochter darstellt, ist einmalig. Der qualvolle Gesichtsausdruck Freemans bewegt einen zutiefst.
Unvergessen bleibt auch Tomas Milians Porträtierung des sexistischen, rassistischen und stolzen Oberhaupts Rafael Trujillo. Milian begeht dabei nicht den Fehler den Charakter zu sehr zu dämonisieren und wie der deutsche Filmtitel suggeriert zu einer Bestie zu verzerren, vielmehr glückt ihm der Versuch einen Menschen zu mimen, der durch seine Brutalität, Stolz und Egoismus sämtliche Menschen um ihn herum unterdrückt und in Angst versetzt, um sie gefügiger und leicht manipulierbar zu machen. Doch von Zeit zu Zeit gelingt es selbst dem großen Diktator die menschlichen Züge wie Selbstzweifel und Angst vor den Untergebenen nicht zu unterdrücken. Ein geniales und unvergessliches Portrait.
Ihm entgegen treten die vier mutigen Verschwörer, die allesamt ihre Motive überzeugend spielen.
Trotz der beschriebenen Stärken hat der Film auch unbestreitbare Mängel. So wirkt er stellenweise zu künstlich, besonders zu Beginn, wenn die Geschichte durch diverse Kamerastilmittel (wie Zeitlupe, überstilisierte Nahaufnahmen und Einblendungen im Vorspann) an Erzähltempo verliert und den eigenen Stil zu sehr aufdrängt. Doch diese Trägheit ist nur auf wenige Szenen beschränkt und ist bereits nach wenigen Minuten vergessen, wenn sich die Geschichte immer mehr entfaltet und eine dichte Atmosphäre herbei beschwört.

Insgesamt schafft es „Der Tod einer Bestie“ alias „Das Fest des Ziegenbocks“ zwar nicht zu einem Meisterwerk, wird jedoch als ein optisch und narrativ brillant gestalteter und schauspielerisch überragend gespielter Film in Sachen Dramaturgie und Charakterzeichnung einige anspruchsvolle Filme in den Schatten stellen. „Der Tod einer Bestie“ ist gleichsam unterhaltsam und mitreißend, wie aber auch ein in historischer Sicht wertvoller Beitrag zu der geschichtlichen Epoche einer Tyrannenherrschaft.

Eine Rezension von Eduard Beitinger
(23. September 2007)
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Daten zum Film
Der Tod einer Bestie Dominikanische Republik / Spanien / England 2005
("La Fiesta del Chivo" alias "The Feast of The Goat")
Regie Luis Llosa Drehbuch Augusto Cabada, Luis Llosa, Mario Vargas Llosa
Produktion Future Film Group / Lolafilms Kamera Javier G. Salmones
Darsteller Tomas Milian, Isabella Rossellini, Paul Freeman, Juan Diego Botto, Stephanie Leonidas, David Zayas, Steven Bauer, Shawn Elliott
Länge 125 min. FSK ab 16
Filmmusik José Antonio Molina
Kommentare zu dieser Kritik
Damocles TEAM sagte am 23.09.2007 um 11:33 Uhr

Ist der ältere Herr auf den ersten drei Bilder mein persönlicher Held Tomas Milian? Ich liebe ja seine Western und Poliziotti, aber da hätte ich ihn fast nicht erkannt.
Zombie-mower TEAM sagte am 23.09.2007 um 12:05 Uhr

also Milian ist auf den ersten 2 Bildern zu sehen, das dritte Bild zeigt Paul Freeman, der hier den greisen, gebrochenen Greis Cabral spielt und in meinen Augen Milians Leistungen in nichts nachsteht (sein mimisches Spiel erweicht auch das stählerndste, abgebrühteste Herz)

Leider ist Milians schauspielerischer Werdegang gänzlich unbekannt, in welchen Western hat er denn besonders brilliert?
Damocles TEAM sagte am 23.09.2007 um 12:13 Uhr

Also sehr sehr sehenswert sind sicherlich 2 Filme, der erst am Freitag auf Vox kamen (zur besten Sendezeit um 2.30...): Django - unbarmherzig wie die Sonne, in der Milian den Bösewicht gibt, ein gold- und Frauensüchtiger Albino, inkl Perücke und Sonnenbrille. Ein Traum!

Der andere, Von Angesicht zu Angesicht, zeigt Milian als Anführer einer ruchlosen Banditenbande, die einen todkranken Professor als Geisel nimmt. Wie Regisseur Sollima hier mit den Sympathien der Zuschauer spielt und diese scheinbar mühelos verschiebt, ist einfach unglaublich und macht diesen, vielleicht psychologisch ausgefeiltesten aller Western absolut sehenswert. Den sollte man sich unbedingt anschauen, eine Kritik wirds hier sicherlich mal geben.
Zombie-mower TEAM sagte am 23.09.2007 um 13:07 Uhr

danke für den Hinweis, Damocles
eine mentale Notiz in die To-Watch-Liste ist eingetragen

apropos sehenswert, heute um 20:40 Uhr läuft auf Arte "Die 36 Kammern der Shaolin", angeblich einer der besten Martial-Arts-Filme (TV-Today ordnet der Film sogar in die Kategorie "Martial-Arts-Klassiker") - also anschauen!!!

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