Lou Ford ist ein nach außen hin unauffälliger und freundlicher Mann.
Auf die Frage, warum er als Hilfssheriff keine Waffe trage, um sich vor Schurken zu schützen, antwortet er:
„Es gibt in Central City nicht so viele Schurken.“
Womit er vermutlich Recht hat.
Vielleicht ist er dort gar der einzige Schurke, vor dem man sich wirklich in Acht nehmen müsste.
Ford ist unter der glatten Oberfläche ein gefährlicher Psychopath.
Michael Winterbottoms „The Killer Inside Me“ basiert auf dem gleichnamigen Noir-Roman von Jim Thompson, aus dem Jahre 1952 - in dieser Zeit ist die Geschichte auch angesiedelt.
Für die auf Festivals bereits kontrovers aufgenommene Adaption schlüpft Casey Affleck („
Gone Baby Gone - Kein Kinderspiel“) in die Rolle des gewissenlosen Gesetzeshüters, welche zuvor bereits von Stacy Keach, in Burt Kennedys Version von 1976, ausgefüllt worden ist.
Zu Beginn des Films wird Ford zu der stadtbekannten Prostituierten Joyce (Jessica Alba, „
Sin City“) beordert.
Die Priester sitzen dem Sheriff Bob Maples (Tom Bower, „
The Hills have Eyes - Hügel der blutigen Augen“) wegen der Sache schon länger im Nacken. Sie wünschen das hemmungslose Treiben in der Gemeinde nicht.
Was genau mit der attraktiven Frau geschehen soll, liegt im Ermessen Fords - er soll auf seine Weise durchgreifen.
Und das tut er.
Aufgestachelt von ihrem aggressiven Temperament, schlägt er Joyce schließlich ins Gesicht.
Ihr gefällt die brutale Behandlung und so beginnt zwischen den Beiden eine animalische Affäre aus Sadismus und Masochismus.
Ford liebt Joyce. Zumindest sagt er ihr das.
Offiziell liebt er jedoch Amy (Kate Hudson, „
Almost Famous“), der er sogar einen Heiratsantrag macht, aber welche mit ihrer braven Art so gar nicht zu ihm passen mag.
Wahrscheinlich kennt sie die dunklen Seiten ihres Partners nicht gut genug.
Oder sie ist blind von ihren Gefühlen.
Als sich für Ford über Joyce die Möglichkeit bietet, dem mächtigen Bauunternehmer Chester Conway (Ned Beatty, „Network“) böse mitzuspielen, fasst er einen teuflischen Plan.
Ohne Rücksicht auf Verluste. Liebe hin oder her...
Nüchtern und eiskalt schildert der Brite Winterbottom („Welcome To Sarajevo“) die Taten seines Protagonisten.
„The Killer Inside Me“ macht schon von seinem schreiend bunten Vorspann an keinen Hehl aus seinem
Pulp-Ursprung und bricht auch im weiteren Verlauf nicht aus seinem schnörkellosen Plot aus.
Leider bleibt hier, hauptsächlich aufgrund der distanzierten Inszenierung, die Psyche des Mörders weitgehend unberührt.
Gelegentliche Off-Kommentare lassen allerdings erkennen, dass der junge Mann seinen blutigen Handlungen tatsächlich reuelos gegenübersteht.
Er will, wie er sagt,
„eine alte Schuld begleichen.“
Die Hintergründe, wie Ford zu diesem Scheusal geworden ist, werden immer wieder in nur kurzen Rückblenden angerissen – wirklich involviert sind wir in dessen verdrehte Kindheit jedoch nicht, dazu sind die Momente einfach zu knapp gehalten und rar gesät.
Interessant ist das Werk trotz der mangelnden Ausarbeitung seiner Hauptfigur dennoch.
Als simple, klassische
Crime-Story funktioniert „The Killer Inside Me“.
Es ist bestimmt nicht so, dass wir mit dem Protagonisten Sympathie teilen – allein die Szenen, wenn dieser seine „Spielgefährtin“ Joyce brutal prügelt, gehen dafür zu sehr an die Nieren.
Trotzdem kleben wir an dem von Casey Affleck sehr überzeugend gespielten, unberechenbaren Mann.
Wir wollen wissen, wie weit er noch gehen wird; ob er es wirklich schafft, mit all dem am Ende durchzukommen.
Letztlich fiebert man doch immer mit der Person, mit welcher man die meisten Film-Zeit geteilt hat.
Egal, ob nun edler Held oder Monster.
Ein Ermittler hat bereits ein skeptisches Auge auf Ford geworfen, die Situation wird für ihn brenzlig. Obwohl sein Plan durchaus clever durchdacht gewesen ist, wie wir im weiteren Verlauf noch erfahren.
Atmosphärisch erinnert Michael Winterbottoms Arbeit an „Blood Simple“, das brillante Frühwerk der Coen-Brüder.
Ähnlich wie dieses durchzieht auch „The Killer Inside Me“ ein unterschwelliger, pechschwarzer Humor.
Wirklich zum Lachen animiert uns des Gesehene selbstverständlich nicht – es ist vielmehr die Weise, wie der Mörder mit seinen Taten umgeht. So beiläufig, als sei er nur einer Katze auf den Schwanz getreten.
Verschiedene Charaktere haben ihn unlängst durchschaut.
Der Ermittler Howard Hendricks (Simon Baker, „
Der Teufel trägt Prada“) natürlich, aber auch der penetrante Gewerkschafts-Vorsitzende Joe Rothman (Elias Koteas, „
Shutter Island“), der in dem Psychopathen so etwas wie seinen Verbündeten gegen den verhassten Conway sieht.
Stichhaltige Beweise können aber nicht vorgelegt werden.
Zugegeben: „The Killer Inside Me“ verschenkt zu viel Potential, um einen wirklich bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
Ein Spannungsbogen ist vorhanden, aber echter Tiefgang fehlt - und die unpassende Schlussszene ist eine wahre Enttäuschung.
Der verstorbene Stanley Kubrick ist beispielsweise ein erklärter Anhänger von Thompsons Material gewesen, und man sollte sich an dieser Stelle besser nicht fragen, wie die Umsetzung unter dem Meisterregisseur wohl ausgesehen hätte.
Als filmgewordener Groschenroman weiss das Resultat dennoch zu gefallen. Es unterhält. Auf - zugegeben - makabre Art.
Wer zuerst an sensibles
Kunstkino gedacht hat, sollte also besser damit rechnen, ein deftiges Stück
pulp fiction serviert zu bekommen.