Das Märchen von Dornröschen kennt jeder, doch aus dem Blickwinkel, den uns das Regiedebüt des bereits zweifach oscarprämierten Szenenbildners
Robert Stromberg („
Avatar“ [2009], „
Alice im Wunderland“ [2010]) präsentiert, hat man es noch nie gesehen:
„MALEFICENT – DIE DUNKLE FEE“ ist die Geschichte der bösen Fee Maleficent, die durch Verrat einst ihre Flügel verlor und fortan auf Rache sinnt. Als eines Tages die Nachricht an Maleficents Ohr dringt, dass der herrschende König Vater einer kleinen Tochter namens Aurora geworden ist, belegt sie daher das Baby mit dem uns allen bekannten Fluch, der Aurora noch vor ihrem 16. Geburtstag eine Spindel berühren lassen soll, welche sie in einen todesähnlichen Schlaf versetzen wird. Was die Fee aber nicht bedacht hat, ist, dass das kleine Mädchen in ihr plötzlich Gefühle wecken könnte, die mehr und mehr den Entschluss bekräftigen, den Fluch wieder rückgängig zu machen...
Es war eine durchaus mutige Entscheidung des eigentlich immer auf Nummer sicher gehenden Mäusekonzerns
Disney, einen Regieneuling wie Robert Stromberg mit der Inszenierung eines Multimillionen-Dollar-Projekts wie dem hier zu beauftragen. Vor allem, da der ansonsten erfolgsverwöhnte Konzern in jüngster Vergangenheit einige herbe Rüc
kschläge einstecken musste (etwa mit seinem zu Unrecht gefloppten 250-Millionen-Dollar-Western „
Lone Ranger“ [2013]). Nun wurde die Budgetschraube zwar wieder etwas zurückgedreht, doch nichtsdestotrotz bietet
„MALEFICENT“ mit seinen geschätzten 200 Millionen Dollar an reinen Produktionskosten das bisher teuerste Budget, das jemals einem Newcomer zur Verfügung stand. Vielleicht obsiegte hier einfach die durch zwei gewonnene Goldjungen bestätigte Fähigkeit Strombergs zur visuell eindrucksvollen Bildgestaltung über etwaig bestehende Zweifel, nicht noch einen Flop produzieren zu wollen. Andererseits: Märchen gehen eigentlich immer, wie der so nicht zu erwartende Riesenerfolg von
Disneys
Eiskönigin [2013] zuletzt eindrucksvoll belegt hat. Unter diesem Gesichtspunkt, in jedem Fall aber unter Berücksichtigung des Gesamtpakets, das trotz Kürzung um 40 Sekunden für eine niedrigere Altersfreigabe immer noch erstaunlich düster daherkommt, erübrigt sich jede weitere Mutmaßung, denn Fakt ist, dass
„MALEFICENT“ auf vielen Ebenen vorzüglich funktioniert. Und darauf kommt es letztlich nun einmal an.
Visuell ist Robert Strombergs Erstling wie nicht anders zu erwarten ein Augenschmaus, der dann mit Effekten protzt, wenn es vonnöten ist (also bei Schlachten, Kreaturen und allerlei magischem Feen-Handwerk), sich im Übrigen aber auch angenehm im Hintergrund zu halten weiß, insbesondere in jenen Augenblicken, die das Herz und nicht vorrangig das Auge ansprechen. Die für heutige Verhältnisse beinahe schon ungewohnt kurze Laufzeit von nur 96 Minuten (einschließlich mehrminütigem Abspann) findet dabei in der Verteilung dieser Momente ein stets gekonnt ausbalanciertes Miteinander, sodass
„MALEFICENT“ nie zu überladen respektive zu red- oder rührselig daherkommt. Das im besten Sinne des Wortes kurzweilige Geschehen ist für kleinere Kinder gerade lang genug, um ihre Aufmerksamkeitsspanne nicht überzubeanspruchen, während Erwachsene sich vor allem an den mehr als soliden
Visual Effects, der märchenhaft-schön orchestrierten Musik aus der Feder von
James Newton Howard („
Peter Pan“ [2003]) und dem ein oder anderen gelungenen Querverweis auf den
Disney-Zeichentrickklassiker „Dornröschen“ [1959], der hier als Inspirationsquelle diente, erfreuen dürften.
Es ist
Disney hierbei mehr als hoch anzurechnen, dass sie mit dem vorliegenden Film einerseits eine moderne Neuinterpretation eines Märchenklassikers aus der Traufe hoben, andererseits aber auch gleichzeitig dem Klassiker aus dem eigenen Hause gebührend Respekt zollen. Die nach vier Jahren Lernwandabstinenz wieder als Hauptdarstellerin auftretende
Angelina Jolie („
Wanted“ [2008]) ist trotz aller Unkenrufe im Vorfeld die perfekte Realverkörperung der bösen Fee, was sich vor allem in der detailgetreuen Umsetzung des Festes zu Ehren der neugeborenen Prinzessin zeigt, die sich nahe an den Zeichentrick-Vorgänger hält. Jolies Mimik, ihre Maske (verantwortlich: Oscarpreisträger
Rick Baker, „
Wolfman“ [2010]) und die Stimmgebung der Figur atmen eindrucksvoll den Geist des alten Klassikers, ohne sich allzu offensichtlich beim eigenen Vorbild anzubiedern.
Dies wird gerade in den rar gesäten, nichtsdesotrotz wohldosierten Momenten selbstironischer Reflexion deutlich, in denen Jolie ihrer dunklen Fee eine ganz andere, um nicht zu sagen menschliche Facette verleiht. Maleficent ist ein überraschend ambivalent agierender Charakter mit Ecken und Kanten, eine tief-tragische Figur, die sich selbst irgendwann neuentdeckt, ihre Persönlichkeit hierbei aber nicht gänzlich umkrempelt, sondern sich und ihrem Wesen treu bleibt. Was dies für den Ausgang des Films bedeutet, ist nun im Kino zu bestaunen, ebenso, wie eine solide aufspielende, aber im Endergebnis nicht überwältigende
Elle Fanning („
Super 8“ [2011]) als dauerstrahlender Sonnenschein Licht in einst von Dunkelheit Durchzogenes bringt. Und wenn sie nicht gestorben sind...
Fazit: Kurzweilig, optisch eindrucksvoll und vor allem in der Hauptrolle toll gespielt:
„MALEFICENT – DIE DUNKLE FEE“ ist ein Märchen, das Bekanntes und Neues gekonnt miteinander verbindet und trotz der einfachen, weil vorhersehbaren Geschichte schlicht und ergreifend Spaß macht. Die nachkonvertierte 3D-Fassung sollte aufgrund fehlenden Mehrwerts nach Möglichkeit allerdings eher gemieden werden.
Cover & Szenenbilder: © Disney 2014