„You look surprised. I thought you expected me.”
Nein, erwartet es wohl niemand so richtig, denn zwischen Hoffnung und expliziten Vorstellungen liegen nicht selten Welten enormen Ausmaßes. Und doch mussten die Verantwortlichen insgeheim geahnt haben, dass die Figur des kühlen, smarten und britischen Geheimagenten ankommen würde. Wie wir wissen
kam das
erste Abenteuer von James Bond an – und wie! Der Erfolg war genauer gesagt derart überwältigend, dass man schon unmittelbar im Anschluss mit den Vorbereitungen für den Nachfolger begann.
Irgendwo im Verborgenen schmiedet ein „Schreckgespenst“ finstere Pläne: die Verbrecherorganisation S.P.E.C.T.R.E (
SPecial
Executive for
Counter Intelligence,
Terrorism,
Revenge,
Extortion) – in der Übersetzung: PHANTOM genannt – muss nach Bonds (Sean Connery) Mission im Vorgängerabenteuer den Verlust seines Mitglieds Dr. No verkraften. Schnell steht fest: James Bond muss sterben! Doch wie soll man dieses Unterfangen möglichst geschickt über die Bühne bringen? Die Organisation entschließt sich, eine sowjetische Dechiffriermaschine namens „Lector“ als Köder zu benutzen. So bekommt James Bond auch bald darauf den Auftrag, ebenjenes Gerät zu beschaffen, und ehe man’s sich versieht, werden bei seinem Versuch, hinsichtlich der Mission erfolgreich zu sei
n, auch schon die ersten Mordanschläge auf ihn verübt. Bond entkommt seinen Verfolgern nur knapp und reist – immer noch auf der Suche nach „Lector“ – nach Istanbul, um dort weitere Nachforschungen anzustellen. Sein Ziel erfährt jedoch eine unerwartete Wendung, als er auf die hübsche Dechiffrier-Spezialistin des russischen Konsulates, Tatjana Romanova (Daniela Bianchi), trifft. Allmählich verdichten sich für den Mann Ihrer Majestät die Hinweise, dass er dabei ist, in eine Falle zu laufen. Mit Tatjana – und Bond-gerecht einer aufflammenden Romanze – im Schlepptau macht sich 007 auf, die Hintermänner zu enttarnen, nicht ahnend, dass diese bereits ihren besten Mann auf ihn angesetzt haben.
Sean Connery hält immer noch viel von seinem zweiten Auftritt als James Bond, auch wenn er sich später nicht mehr so richtig für die Rolle des Mannes mit der Lizenz zum Töten erwärmen konnte. Dies sei einer der besten, wenn nicht gar
der beste Bond überhaupt, so der Mann, der Ian Flemings Figur weltberühmt machte. Recht hat Connery in jedem Fall insoweit, als dass
„JAMES BOND 007 - LIEBESGRÜßE AUS MOSKAU“ in jeder Hinsicht gewisse Standards für alle nachfolgenden Bondfilme setzen sollte – mehr noch, als es vielleicht im soliden, aber noch etwas unbedarft wirkenden Erstling der Fall war. Die actionreiche Inszenierung wirkte plötzlich erwachsener, weniger verspielt und vor allem realistischer, was auch an der spannenden, zugrundeliegenden Agentengeschichte liegen mag. Der Zuschauer wird völlig unvermittelt und komplett auf sich allein gestellt – wie Bond, übrigens! – hineingesetzt in eine Welt, in der der Kalte Krieg so greifbar wie in keinem anderen Film zuvor erscheint und eine Atmosphäre vorherrscht, die den waltenden Kräften beim Kampf der Nationen auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs ein erschreckend reales Gesicht gibt. Überhaupt sollte die Arbeit in den Geheimdiensten mit all den für den Zuschauer unbekannten Abläufen in fast keinem der nachfolgenden Werke mehr derart plastisch dargestellt werden wie hier, sondern immer größeren, immer spektakuläreren Action-Sequenzen weichen und – wenn überhaupt – nur am Rande aufblitzen. Dabei zeigt doch Bonds zweiter Auftritt, dass aus einer solchen Herangehensweise durchaus Spannung gewonnen werden kann, denn als langweilig erweist sich die Jagd nach der Dechiffrier-Maschine zu keinem Zeitpunkt.
Doch Bond wäre nicht Bond, wenn es nicht auch mal richtig krachen würde. So wird auch in
„JAMES BOND 007 - LIEBESGRÜßE AUS MOSKAU“ mehr als einmal die Schusswaffe herausgeholt oder als Höhepunkt eine Schlägerei im Orient-Express angefangen. Letztere wird von Fans als eine der besten, weil spannendsten Kampfsequenzen der gesamten Serie angesehen, was sicherlich auch an Terence Youngs solider Inszenierung liegt. Kaum zu glauben, dass derselbe Mann ein Jahr zuvor noch relativ unspektakulär wirkende Schlägereien auf die Leinwand gebannt hat. Zugute kam hier zweifelsohne das doppelt so hohe Budget von nun schon 2 Millionen Dollar, welches nicht nur für eine bessere Ausstattung und pompösere Kulissen, sondern auch für Reisekosten in höheren Sphären ausgegeben wurde. Auch zum ersten Mal ausgegeben – man entschuldige die etwas ungelenke Überleitung – wurden hier erstmals Technikspielereien, jene Errungenschaften des genialen Q (
Desmond Llewelyn in seinem ersten von siebzehn (!) Bondauftritten), die 007 das Leben im Kampf mit den Schurken dieser Welt leichter machen sollten und es meistens auch taten (vom Leben der Schurken sprechen wir jetzt lieber nicht). Zwar war die erste technische Errungenschaft „nur“ ein Aktenkoffer ohne allzu viel Schnickschnack (Rauchbombe, Messer, Zyanid-Pille und Goldmünzen im Innenfutter – das Übliche eben...), doch sollte dieser Prototyp sich im Laufe der späteren Werke zu einem regelrechten Usus entwickeln, ohne den Bond nicht der wäre, der er heute ist. Q-Darsteller Desmond Llewelyn hatte diesen Koffer im übrigen bis zu seinem Tod 1999 in Besitz – ein untrügliches Zeichen für den unglaublichen Wert, der diesem so unscheinbar wirkenden Utensil bis heute innewohnt.
„JAMES BOND 007 - LIEBESGRÜßE AUS MOSKAU“ war nach dem etwas drögen Einstieg in die Agentenwelt des Ian Fleming (über ihn mehr in der nächsten Rezension) somit endlich das, was schon „Dr. No.“ [1962] sein wollte: ein durchweg spannendes, actionreiches Agenten-Thriller-Filmerlebnis, welches neben von der Kamera eindrucksvoll eingefangenen Schauplätzen einen Sean Connery in Bestform und eines der attraktivsten Bondgirls überhaupt auf der Habenseite verbucht. Sichtlich gut gelaunt gesellt sich zudem Kollege Einfallsreichtum dazu, der sich sowohl im raffinierten Vorspann von
Robert Brownjohn (die Credits wandern optisch ansprechend über den Körper einer Bauchtänzerin) als auch im ersten Auftreten des obligatorischen 007-Logos von
Maurice Binder (Pistolenlauf, Schuss, Blut über die Leinwand) niederschlug. Aber auch sonst – und das muss einfach noch abschließend gesagt werden – ließen sich die Macher nicht lumpen und bewiesen echte Kreativität, als es zum Beispiel darum ging, Ratten für das Drehen in den russischen Kanälen aufzutreiben. Da man keine fand, wurden einfach Mäuse buchstäblich durch den Kakao gezogen. Ein schönes Bild zum Schluss, wie ich finde und eine amüsante Vorstellung, die vielleicht – aber nur vielleicht! – nicht ganz unschuldig ist an der Tatsache, dass Sean Connery diesen Film als seinen Liebling bezeichnet. Noch heute lobt Connery ausdrücklich – wohl auch ausschließlich – die Klasse von damals, die er in seinem zweiten Auftritt als charismatischer Agent erreicht hat. Klasse statt (Schokoladen-)Masse, gewissermaßen, wenn man es so sehen will. Nicken wir einfach zustimmend.
James Bond will return in
„James Bond 007 - Goldfinger" [1964]