Die Geschichte erscheint heutzutage wie ein déjà vu, das in unzähligen Horrorfilmen recycled wurde. Eine Familie befindet sich auf einem road trip quer durch die Staaten, verliert die Orientierung, ignoriert die Hinweise der Einheimischen und gerät in fatale Schwierigkeiten. Im Jahre 1977, als Wes Craven seinen zweiten Langfilm heraus brachte, feierte noch Tobe Hooper mit dem Low-Budget-Horrorfilm "
Texas Chainsaw Massacre“ seinen Überraschungshit. Cravens Geschichte basiert auf ähnlichen Pfeilern wie die von Hooper, da sich Ausgangssituation und Storyentwicklung von in einer Wüste gestrandeten, verlorenen, dem Untergang geweihten Amerikanern, die einen Survival-Trip antreten, überschneiden. Die realistische, meist nur angedeutete Darstellung von Gewalt und Terror haben Craven und Hooper ebenfalls gemeinsam. Und insgeheim stehen in beiden Geschichten die „Bösen“, die sozial gescheiterte Randgesellschaft, im Zentrum. Die Hauptdarsteller und deren Schicksal ist eigentlich nur der Zugang zu der personifizierten drohenden Gefahr an die soziale Ordnung in Form der primitiven, kannibalisch veranlagten Außenseiter.
Die Geschichte von "The Hills have Eyes“ klingt, wie vorhin vorweg genommen, ziemlich vertraut: die nach Los Angeles durch die Nevada Wüste reisende Familie Carter, die in ihrem Auto und Wohnwagenanhänger ganze drei Generationen einer typischen amerikanischen Mittelklassefamilie vereint, trifft auf der letzten Tankstelle ihrer Reise auf den paranoid wirkenden, dem Alkoholismus verfallenden Tankwart Fred (Jason Steadman). Dieser rät dem Familienoberhaupt der Familie, dem pensionierten Polizisten Bob Carter (Russ Grieve), davon ab, seine Familie auf einer so abgelegenen Route durch die Wüste zu fahren. In dieser Wüste leben laut Fred nur Wilde und einer Begegnung mit ihnen sei abzuraten. Bob tut die Sorgen des Warts als das Geplapper eines senilen Greises ab und nimmt die Reise mit seinem unverwüstlichen autoritären Selbstbewusstsein und einem geladenen 44er Magnum Revolver wieder auf.
Auf der Fahrt erfährt der Zuschauer einige wichtige Informationen über die Figuren und die Rolle des konservativen Ex-Polizisten als Entscheidungsträger und Sturrkopf wird deutlich – nicht zuletzt in seiner schicksalshaften Rolle. Craven streut neben typischen Charaktermerkmalen einer christlich-konservativen Mittelklassefamilie auch kleine Randinformationen, solche wie dass die Familie Carter sich über das nukleare Testgelände der Regierung bewegt, ein. Die unheilsschwangeren Vorzeichen verdichten sich immer mehr, bis Bob, erschreckt von einem tief fliegenden Air Force Flugzeug und Wild auf dem Weg in Panik den Wagen samt Wohnwagen in den Graben fährt und lahmlegt.
Nachdem der erste Schock verflogen ist, beschließen Familienoberhaupt Bob und der Schwiegersohn und jüngst gewordener Vater Doug (Martin Speer mit einem für die 70er typischem Oberlippenschnurrbart, trotteligem Auftreten und an Lächerlichkeit grenzender Jeans-Shorts) die befahrene Straße auf beide Richtungen auf der Suche nach Hilfe zu durchforsten.
Die Frauen, die abergläubische Mutter Ethel Carter (Virginia Vincent), ihre jüngste gutaussehende Teenager-Tochter Brenda (Susan Lanier) und die an Doug frisch verheiratete pragmatische Lynn (Dee Wallace), werden unter der Obhut von Jungspross Bobby (Robert Houston) und den beiden Schäferhunden Beauty und Beast beim Wohnwagen zurückgelassen.
Hier an der ersten wichtigen Wendung des Films äußert Craven seinen politischen Kommentar und gleichzeitig Einstellung zur Gewalt. Während der mächtige Familienboss und Ex-Bulle Big Bob mit der Bewaffnung von sich und seinem Sohn alle Risiken ausgeklammert sieht, wirkt der pazifistische Schwiegersohn Doug mit seiner gewaltverachtenden Einstellung und vernünftigen Ausgeglichenheit eher als harmlos und machtlos. Mutter Ethel fordert noch um ein gemeinsames Gebet, damit alles gut geht und der ganzen Familie unter Gottes Schutz nichts zustößt.
Doch es läuft alles denkbar falsch. Big Bob erreicht gerade noch die Tankstelle und kann von dem suizidalen Tankwart Fred die Geschichte von den perversen, gefährlichen Wilden in der Wüste erfahren, bevor er dessen Opfer wird. Doug, der keine Waffe trägt, kann wohlbehalten zurück kehren.
Big Bobs rituelle Kreuzigung und Verbrennung gebrauchen die Unbekannten als Ablenkmanöver für die männlichen Bewacher im Wohnwagen, um einen schändlichen Beutezug durchzuführen und in dessen Verlauf die jüngste Tochter zu vergewaltigen, die dabei hinderliche Mutter und Dougs Ehefrau umzubringen und nach verrichtetem Kollateralschaden wieder zu fliehen.
Doug, Bobby und die von der Schändung traumatisierte Brenda beschließen einen Rachefeldzug gegen die Wilden.
Cravens Film, das muss man zugeben, hat bei den heutigen Standards des Horrorfilmgenres über die 34 Jahre an Schockwirkung und Überzeugungskraft in punkto der Gewalteffekte einiges eingebüßt. Der Handlungsverlauf ist ebenfalls ziemlich langwierig linear aufbauend und der narrativen Struktur erkennt man auch ihre Zeit an. Craven nimmt sich in der ersten Hälfte des Films viel Zeit, den Ort der Handlung, dessen trostlose Weiten und gleichzeitige Ausweglosigkeit visuell einzufangen. Die Charaktere haben ebenfalls viel Raum sich zu entfalten und jede Figur bekommt individuelle Eigenheiten. Doch für einen Horrorfilm ist der Rhythmus doch etwas zu träge.
Andererseits beweist Craven schon in seinem zweiten Film, ähnlich dem Erstling "
The Last House On The Left“ sein Geschick im Einstreuen von subtilen Vorzeichen, die Einbettung der Geschichte in ein realistisches Setting und das kongeniale Aufeinandertreffen von sardonischem, keine Grenzen kennendem Bösen (in Form der kannibalistischen Wilden) mit dem amerikanischen Durchschnittsbürger. Dieses resultiert in der Aufgabe des Pazifisten Doug von seinen Prinzipien und Ideal einer rationalen Konfliktlösung und in der Einleitung der Phase des Erwachsenwerdens der Jugendlichen Brenda und Bobby, da sie sonst an der ihnen zugefügten Traumatisierung psychisch zerbrechen würden.
Was "The Hills have Eyes“ heute noch sehenswert macht und ihm zu seiner Entstehungszeit zurecht einen Kultfilmstatus eingebracht hatte, war Cravens gelungener Versuch das Unnatürliche, Böse, die Aggression einer verdrängten sozialen Randgruppe in den amerikanischen Alltag einzuflechten, eine sehr glaubhafte Hintergrundgeschichte und der sowohl psychologisch, als auch physisch an die Substanz gehende Überlebenskampf derjenigen, die nicht das „Glück hatten zuerst zu sterben“.
Die Schwachpunkte des Originals aus heutiger Sicht – die veralteten Spezialeffekte und der sehr langsame narrative Aufbau – hat das 2005-
Remake von Alexandre Aja (mit Craven in produzierender Funktion) wett gemacht. Doch während Aja sich hauptsächlich fokussiert auf die Angst- und Schreckenserzeugung des Publikums durch audio-visuelle Mittel und sich am Schluss seiner Version zu sehr in splatteriger Exploitation verliert, erreicht Craven eine langfristig stärkere Schockwirkung durch sein Porträt sowie Entstehungslegende der sozial Ausgestoßenen und nun dem verruchten Kannibalismus und der Anarchie frönenden Wilden.
Noch ein wichtiger Unterschied in den 30 Jahre auseinanderliegenden Versionen ist Ajas deutlicher Hintergrundverweis von nuklearen Folgeschäden, während Craven die Backgroundstory nicht ganz entblößt, sondern nur Andeutungen von Missgeburt, familiärer Missbrauch, Vergewaltigung und soziale Verstoßung als die Ursachen der Wut und Grausamkeit seiner kannibalistischen Mutanten anbringt.