Es fließt mal wieder Blut in Frankreich – und verantwortlich dafür ist weder der Geist von Robespierre noch dessen untote Jakobiner-Schergen.
In „La Meute“, dem Regiedebüt von Franck Richard, sorgt im dortigen Hinterland ein ganz anderes Grauen für Terror und exzessives Vergießen des roten Lebenssaftes.
Die toughe Charlotte (Émilie Dequenne, „
Pakt der Wölfe“) fährt in ihrem heruntergekommenen Auto ziellos und nur mit einem Haufen CDs auf ihrem Armaturenbrett bestückt über die nebeligen, abgelegenen Landstraßen.
Als ihr schließlich eine hartnäckige Gruppe offensichtlich notgeiler Biker penetrant auf den hübschen Pelz rückt, entschließt sie sich spontan, den Anhalter Max (Benjamin Biolay, „Stella“) mit an Bord der Reise zu nehmen.
Ein böser Fehler, wie sich bald herausstellt.
An der schmuddeligen Raststätte „La Spack“, die von der gleichnamigen Besitzerin (Yolande Moreau, „
Die fabelhafte Welt der Amélie“) betrieben wird, wollen die Beiden eigentlich nur kurz eine Pause einlegen, bis dort auf einmal die Biker von zuvor ebenfalls aufschlagen, für einigen Ärger sorgen und sich erst durch Waffengewalt wieder verjagen lassen.
Und dann geschieht etwas Mysteriöses: Max, der nur für einen Moment die Toilette aufsuchen wollte, verschwindet plötzlich spurlos.
Niemand weiß, wo er stecken könnte und auch der seltsame Sheriff Chinaski (Philippe Nahon, „
Menschenfeind“, „
High Tension“) macht auf Charlotte zunächst nicht den Eindruck eines kompetenten Helfers bei ihrer Suche.
In der Nacht kehrt die entschlossene Frau noch einmal zum „La Spack“ zurück, um in einen irgendwie verdächtig versteckten Raum einzudringen.
Aus dem Hinterhalt wird sie von der Wirtin niedergeschlagen und findet sich nach ihrem Erwachen in einem Käfig wieder.
Schon bald wird ihr klar, wo ihr frischer Traumprinz abgeblieben ist und was ihre Gefangenschaft zu bedeuten hat:
Der Boden braucht frisches Blut…
Wer es geschafft hat, allen Szenenfotos und anderen Inhaltsangaben zu „La Meute“ hartnäckig aus dem Weg zu gehen, der sei dann auch mit dem Begriff
Spoiler vor dem Weiterlesen dieser Rezension gewarnt.
Wie Newcomer Richard bereits im Vorfeld hat verlauten lassen, schwebte ihm mit seinem Werk der Versuch vor, das aktuelle
Folterkino um „
Saw“ (2004) und „
Hostel“ (2005), sowie deren größtenteils armselige Nachahmer, hinter sich zu lassen und das Horrorgenre wieder ein wenig zu seinen klassischen Wurzeln zurück zu führen.
Tatsächlich ist der vorliegende Schocker, wie sich recht zügig herausstellt, trotz einiger fieser Szenen - während denen die Figuren dann auch buchstäbliche Torturen erleiden müssen - kein
Torture Porn im eigentlichen Sinne.
Die betreffenden Momente dienen hier als Ausgangspunkt, um den Film schließlich auf eine andere, übersinnliche Ebene zu bringen.
In Wirklichkeit ist Max nämlich der Sohn von La Spack, welche ihren Opfern (neben Charlotte sitzt noch ein Asiate mit Cowboyhut in der Nachbarzelle, der lediglich die Worte „John Wayne“ über die Lippen bringt) durch eine eigentümliche Anlage Blut abzapft, um mit diesem bei Vollmond eine unterirdisch lebende Horde von Ghulen zur Fütterung anzulocken.
Woher diese Wesen stammen und wie sie in Verbindung mit der Wirtin stehen, soll dann an dieser Stelle nicht mehr verraten werden – eine spektakuläre Auflösung sollte man als Zuschauer allerdings nicht gerade erwarten.
Obwohl „La Meute“ qualitativ keineswegs mit französischen Genre-Glanzstücken wie „
Inside“ (2007) oder „
Martyrs“ (2008) mithalten kann, hat er doch einiges mehr zu bieten als stumpfere Vertreter, wie „
Frontier(s)“ (2007) und „
Die Horde“ (2009) oder natürlich der erbärmlich schlechte „
Mutants“ (2009).
In diesem Zusammenhang wäre zum Beispiel der pechschwarze Humor zu nennen, der im Prinzip das gesamte Werk durchzieht, dieses aber durch die geschickte Balance nie zu einer reinen Splatterkomödie à la
Geschichten aus der Gruft mutieren lässt.
Bei der Gewaltdarstellung hält sich Franck Richard übrigens vergleichsweise zurück, weshalb
Gorehounds wohl auch eher müde abwinken werden, während die vorhandenen drei bis vier blutrünstigen Szenen normalen Kinogängern vielleicht schon zu viel des Guten sein könnten.
Sehr angenehm fallen bei dem gerade mal 81-minütigen Streifen zudem die schmutzigen und farblich ausgewaschenen Bilder von Kameramann Laurent Barès auf, die Erinnerungen an so manchen Horrorklassiker aus den
80ern hervorrufen.
Auch der bedrohlich pulsierende Soundtrack von
Unsane-Gitarrist Chris Spencer und
Einstürzende Neubauten-Keyboarder Ari Benjamin Meyers trägt maßgeblich zu der ordentlich dichten Atmosphäre im Stile der genannten Ära bei.
Recht offensichtlich scheint bei „La Meute“ John Carpenter eines von Richards großen Vorbildern gewesen zu sein: Zum einen hätte die kantige Heldin fast aus einem Film des „
Die Klapperschlange“-Schöpfers entsprungen sein können und zum anderen erinnert die gesamte Gruselmär in Sachen
Stimmung und
Aufbau tatsächlich öfters an dessen „
The Fog - Nebel des Grauens“ (1980).
Auch wenn er dem Meister dabei noch nicht wirklich das Wasser hat reichen können, stimmt die Tendenz und der junge Regisseur empfiehlt sich mit seinem Erstling als ein inszenatorisches Talent, auf dessen weitere Projekte man in Zukunft mit Sicherheit gespannt sein darf.
Abschließend lohnt sich übrigens auch ein Blick auf die Art, wie hier die angesprochenen
Torture Porns sogar persifliert werden, wenn am Ende des Films
Gewalt und
Sex in einer Szene fast gleichsetzt sind.
Franck Richard spielt nicht zuletzt in solchen Momenten mit den Erwartungshaltungen des Publikums und führt es gelegentlich an der Nase herum – die Frage ist nur, ob man so etwas dann mag oder lieber bierernste Horrorkost ohne dezentes Augenzwinkern goutieren möchte.
Fazit: Sehr kurzweilig und trotz bekannter Versatzstücke irgendwie...anders.